Liebe stand nicht auf dem Plan
Friseur. Willkommen!« Die goldenen Buchstaben lösen sich an den Kleberändern ab, die Scheibe ist angelaufen und dreckig, aber Mandy und Babacan geht’s gut. Sie stehen in der Tür und schütten sich aus vor Lachen. Mandy ist schön. Mehmet schiebt das Ayran-Glas und seinen halb vollen Köfte-Teller weg.
»Du bist im Stress«, sagt Nora und ärgert sich, dass in ihrer Stimme der Klang einer Verständnistussi mitschwingt.
Mehmet reagiert sofort und laut darauf. »Ich, im Stress? Wer war denn letzte Nacht im Stress, und wer war da heldenhaft zur Stelle? Wer war denn dein Retter in der Not?«
Daran hätte er sie nicht zu erinnern brauchen. Aber auf der anderen Seite lässt er sie einfach hängen. Den Underage-Club erwähnt er mit keiner Silbe. Wahrscheinlich vergessen oder einfach zu unwichtig für ihn. »Stimmt, aber jetzt wächst dir der Job über den Kopf, und du benimmst dich wie ein Arschloch«, sagt Nora sachlich.
Mehmet stiert wieder stumpf aus dem Fenster und schweigt.
»Oder haben Außerirdische dich in ihrem Ufo am Gehirn operiert? «
»Dann müsste ich ne Narbe haben.«
»Die haben Nano-Laser-Instrumente, mit denen geht das, ohne dass man was sieht.«
Mehmet reagiert mit einem skeptischen Kopfschütteln.
»Lass mich mal fühlen.«
Er neigt seinen Kopf schräg zu Nora rüber, und sie wuschelt
in seinen Haaren. »Gesundes, weiches Haar, intakte Kopfhaut … Macht Babacan dir die Haare?«
Keine Antwort, aber unter dem Gekraule entspannt sich Mehmet.
»… oder Mandy?«
»Du kriegst alles mit, hä? Du denkst, du kannst in andrer Leute Schädel rumspazieren, ja?« Endlich sieht er sie an, wenn auch mit zusammengekniffenen Augen.
»Einfacher wär’s natürlich, wenn du es einfach zugeben würdest. Du bist gestresst.«
Mehmet schubst sie mit dem Ellbogen an. »Wieso hörst du nicht einfach auf?«
»Wenn wir mal zusammen einen Laden aufziehen wollen, wär’s doch gut, wir würden uns so gut verstehen wie die.« Nora macht mit dem Kinn eine Bewegung zur Naillounge rüber.
»Du hast recht. Ich bin komplett platt. Und Maika gibt mir den Rest. Und ich muss dringend wieder rüber in den Club, und wenn ich um elf zu Hause bin, fällt meine Sippe über mich her. Mach dies, mach das.«
»Morgen geht’s besser, wirst sehen.« Er sieht süß aus, wenn er so verzweifelt ist, denkt Nora.
Maika hat sich den anderen nicht angeschlossen, weil sie damit gerechnet hat, dass es Anschuldigungen hageln würde nach dem Affentanz, den sie hingelegt hat. In den Blicken von Keath und Nora hat sie mehr als nur Kritik gelesen, die waren sauer. Also hat sie Arbeit vorgeschoben, Sachen, zu denen sie während des laufenden Bar-Dienstes nicht kommt, und setzt darauf, dass morgen der Stress von heute vergessen ist. Mehmet provoziert sie eben mit seinem Alpha-Affen-Gehabe. Sie legt Korkenzieher und Putzschwämme an die gewohnten Plätze und hängt ihren
Gedanken nach. Es ist ihr unerträglich, wenn jemand ihr Verhalten kommentiert. Wenn es Mehmet macht, sieht sie rot. Es reicht, dass sie zu den Leuten, die sie wegen ihrer Mutter anmachen, nicht »Kümmern Sie sich um Ihren Scheiß!« sagen kann. Was sie tut oder lässt, geht niemand was an.
Gedankenverloren stapft Keath vor sich hin und schüttelt den Kopf, als hätte er ein Nervenleiden. Mehmet ist in Nora verknallt, das sieht ein Blinder. Also ist die Frage, ob Nora ihn, Keath, gut findet oder nicht, nicht das eigentliche Problem. Es spielt nämlich keine Rolle. Es geht nicht darum, ob Keath sich an sie ranmachen oder Zurückhaltung üben soll. Er taucht in der Konstellation nicht auf, das muss er kapieren, bevor es richtig kompliziert wird. Mehmet kennt Nora länger als er. Und er, Keath, kennt Mehmet seit dem Kindergarten, und wenn Mehmet nicht gerade den Macker markiert, ist er sein bester Freund. Wie es aussieht, hat Nora keinen festen Freund, zumindest ist noch keiner in dieser Funktion im Club aufgetaucht, aber das heißt nur, dass Mehmet eine reelle Chance hat, wenn er sie nicht versaut.
Keath bleibt stehen. Bewegungslos verharrt er einen Moment, dann dreht er sich um und geht den gleichen Weg wieder zurück. Mit einem Ruck löst er den Verschluss seines Helms. Er hat die Vespa einfach stehen lassen, vergessen, und ist mit dem Helm auf dem Kopf die Hein-Hoyer-Straße lang gelatscht, ohne zu merken, dass er ihn aufhat. Ein böses Zeichen in bösen Zeiten. Er hört Mandy lachen, Babacan prustet, beide albern vor ihrem Laden herum. Alle, alle paaren sich, nur ich
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