Liebe stand nicht auf dem Plan
Kleingeld?«
»Getränkegeld von der Schülerparty im Club. Davon wird der Saft bezahlt.« Worte, mit Bedacht gewählt, lassen Spielraum, ohne dass sie zur Lüge werden.
Worte. Mehmet grübelt, verwirft, sucht neue. Er taucht in ein Meer von Worten. Das richtige ist zum Greifen nahe, aber noch hat er es nicht herausgefischt. Nebenan im Wohnzimmer läuft
der Fernseher. Seine Eltern unterhalten sich. Sie reden über ihn, denken, er sei krank, weil er sich um halb elf ins Bett gelegt hat, nachdem er freiwillig den Müll runtergetragen hat und mit Achmet ein Zelt aus Laken gebaut hat. Zwei Überraschungseier liegen vor dem Bett der Kleinen, Nilgün und Irmak. Seine Mutter hat ihre Nase nicht mehr aus dem Rosenstrauß genommen und Achmet seine nicht aus dem Comic. Selten hat sein Vater so gerührt gekuckt, und das bloß wegen einem Päckchen mit seinem Lieblingstee. Mehmets Glück über den erfolgreichen Auftritt können sie nicht nachvollziehen, aber über die Geschenke teilen sie seine Freude.
DJ SoUnd hat was, aber wehe, man versieht es mit einem Fragezeichen. Er streicht es von der Liste und starrt an die Decke. Einen Namen mit Klang wünscht er sich, einen, der klingt. Gut klingt. Nach seinem Sound klingt.
Es klopft, seine Mutter streckt den Kopf durch die Tür und fragt: »Çay?«
»Evet.« Çay ist immer gut. Er stellt die Teetasse aus Glas auf seinem Bauch ab, und sie geht, ohne einen Kommentar zu seinem Warenlager abzugeben, was nicht oft vorkommt. Außer dem Bett und der vollgepackten Kommode steht sein gesamtes Equipment gestapelt und griffbereit herum. Viel Platz ist in seiner Hütte nicht. Nur im Bett hätte noch eine Platz. Eine Kleine. Nora. Nora! Nicht schon wieder von ihr träumen. Zu spät, er kriegt sofort einen Ständer, die Tasse kippt und ein Schwaps heißer Tee landet auf seiner Bettdecke.
Scheiß Keath, flucht Mehmet. Der blöde Spruch über seinen sexuellen Frust, den er mit sich in seiner Kammer abmachen soll, hat gesessen. Und die Erinnerung führt zu sofortiger Ernüchterung. Er richtet sich auf, trinkt einen Schluck und hat es. Das ist es!
DJ Çay. Deejay Çay. DJ Tschai? Nein, das ist das Pfadfinder-Heißgetränk.
DJ Çay ist der Name. DJ Tee? Wenn es denn ein übelnehmender Kritiker unbedingt ins Deutsche übersetzen will, bitteschön, dann eben Tee.
17
DJ Çay
Dreck und Dreck ist nicht dasselbe. Der fundamentale Unterschied liegt darin, ob es der eigene Dreck oder der von anderen ist. Der Dreck der anderen ist dreckiger, zäher, geht schwerer ab. Das Putzen dauert länger und nervt mehr. Der Underage-Club-Dreck kommt Nora wie eine Dreck-light-Version vor. Oder liegt es an DJ Çays Musik? Sie hat eine saugute Qualität, weil er sie direkt am Mischpult mitgeschnitten hat. Schnell, präzise und leicht ist sein Stil, sich dabei nicht zu bewegen unmöglich. Keath hat seine Street-Dance-Gruppe früher beendet, lieber tanzt er mit Nora den Schrubberdance. Die Rhythmen beflügeln sogar Maika, Mehmet und Dali, sie machen mit und üben den von Keath entwickelten »Destructive Pressure Putzgang«- Schritt. Ein Stück von 04:47 Minuten und der Boden glänzt, ganz nebenbei. Der alberne Quatsch bekommt nur einen Dämpfer, weil die Lokusse erst leise und dann immer lauter nach Domestos wimmern. Vergeblich, Leif hat Ansätze eines zarten Öko-Gewissens entwickelt und eine Frosch-Variante nachbestellt.
»Nora, du hast die Bar eingesaut, die kannst du jetzt auch wieder in Ordnung bringen. Ich mach’s Weiberklo.«
Maikas nüchtern vorgetragene Ankündigung hat eine spektakuläre
Wirkung. Zuerst taumelt Mehmet zur Bühne, dann folgen die anderen, nacheinander sinken alle bis auf Maika ohnmächtig auf die noch trockenen Bretter.
»Steht auf, Verdammte dieser Erde«, zitiert Maika gelassen. »Auf, zum letzten Gefecht.«
»Dass ich das noch erleben darf«, lallt Mehmet.
»Alder, ich geh da jetzt rein.« Entschlossenheit ist kein Ausdruck, Maika gibt sich knallhart. Sie geht Richtung Toilette, zieht sich Putzhandschuhe über und klopft auf ihren Graffiti-Manga-Schenkel. Kurzes Zögern:»Wenn ich schreie, kommt ihr gefälligst zu Hilfe und holt mich raus.«
»Oh nein, nicht schreien! Sonst halt ich die Tür zu, so was macht mir Angst«, wimmert Dali.
»Memme.« Maika verschwindet in der Kammer des Schreckens.
Eine Sekunde später erfolgt ein Aufschrei. Niemand rührt sich.
Maika reißt die Klotür auf, »Feiglinge«, haut die Tür wieder zu.
Die vier anderen liegen faul auf der Bühne.
Nach
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