Liebe stand nicht auf dem Plan
Nicht nur, weil Nora sie darum gebeten hat, sondern weil sie fürchtet, dass Leif das Handtuch schmeißt und sie dann ihren Job los ist. Also hat Dali nachgehakt, wieso der Chef wünscht, dass sein Portrait auf eine Stellwand und nicht auf die Wand gemalt werden soll? Er will es umdrehen können, wenn’s nix wird, hat er behauptet. Dali hält es für wahrscheinlicher, dass er es mitnehmen können will. Das nervt, weil es das Prinzip Streetart umkehrt und ins Absurde führt. Dalis Kunst muss an die Wand, nicht übers Sofa. Ihn erinnert das an seine Eltern, für die Kunst zwar schick ist und zur Kultur gehört, im Sinne von Prosecco-Saufen auf Vernissagen, aber trotzdem brotlos sein muss und deshalb unter keinen Umständen eine Perspektive für den Sohn darstellen kann. Kreativität ist eine schöne Sache, wenn man sie in den Beruf einbringt, mit dem man auch Geld verdienen kann, blablabla. Was es wirklich heißt, Kunst zu lieben und zu leben, davon haben sie keine Ahnung. Sie haben nicht den blassesten Schimmer, was Kunst für ihn bedeutet. Was er fühlt, wenn er malt. Dass er sich dabei verliert und gleichzeitig findet, vergleichbar mit Sex. Nicht nur als Rückzugsmöglichkeit braucht er ein Atelier. Er will lernen, Techniken und Materialien
ausprobieren, besser werden, sicherer. Genau das will er. In jedweder Hinsicht.
Vor der Bar drängeln sich die Durstigen. Lars verliert selten die Geduld, aber ohne Keath würde er ausrasten. Hunter peitscht die Tanzwütigen unablässig hoch. Ein Ende ist nicht abzusehen, und die Barbestände sind alle. Die Leute kippen das Zeug weg wie nichts. Um ein Uhr hat Keath die Kasse dichtgemacht, jetzt fährt er mit der Getränkekarre die leeren Kisten weg.
Dali geht mit und schiebt Wache vorm Getränkeschuppen. Stille und frische Luft, beides empfindet er als absolut wohltuend. Er hat wenig getanzt, schont lieber seine Kräfte. Bis auf ein paar Rauchergrüppchen ist der Hinterhof leer. Kein Hund, keine Glatzen. Flaschen klirren. Fünf volle Kisten, mehr passen nicht auf die Karre. Keath manövriert sie über den Hof, während Dali auf die zweite Fuhre wartet.
»Hast du ’n Bier für uns?«
Aus einer Raucherecke wird der Wunsch nach Freiluftbewirtung laut. Biergarten, feine Sache, Dali kennt das aus der Heimat. »Zwei, drei? Wie viel?«
»Drei!«
Zwei Kerle und eine mit langen braunen Haaren, die nach Bier schreien. Dali geht auf die Gruppe zu und denkt, das darf nicht wahr sein. Ist sie das?
»Nett von dir«, sagt sie. »Die Schlange an der Bar ist deprimierend lang.« Sie steckt sich die Zigarette zwischen die Lippen, nimmt die Flasche entgegen und gräbt in ihrer Hosentasche nach Geld.
»Es sind Pfandflaschen. Gebt sie hinterher bitte am Tresen ab.« Dali kassiert einen Fünfer von den Kerlen. Zu ihr sagt er: »Das geht aufs Haus«, und als sie ihn erstaunt ansieht, »gehört
zur Pflege der guten Beziehung zwischen Schüler und Lehrkraft.«
Der neben ihr biegt sich vor Lachen. »Der Lehrkörper ist auch nicht mehr das, was er mal war. Raucht, säuft und lässt den Schüler das Bier ranschaffen.«
Sie mustert Dali und versucht sich zu erinnern, ob sie ihn jemals im Unterricht gesehen hat.
»Die Bilder im Club sind von mir. Sie können mir im Gegenzug ja mal sagen, was Sie davon halten.« Bloß nicht plump baggern. Siezen, respektvoll sein, nicht auf Kumpel machen.
»Was? Davon hatten wir’s gerade. Die sind super!«, bekundet der Typ neben Janina Joh, Dalis Kunstreferendarin, lautstark.
Sie äußert sich nicht. Dali lässt sie nicht aus den Augen. »Es kommen noch welche dazu. Dienstag, nach dem Underage-Club, so gegen halb zehn, sind sie fertig. Sie sind eingeladen. Es ist garantiert keiner Ihrer Schüler da. Außer mir.«
Kurz überlegt Dali, ob Janina Joh Nora kennt, aber nein. Die hat Kunst abgewählt. Sie steht mehr auf Musik.
Janina Joh nickt nicht, hört ihm aber zu und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Dali lässt es dabei bewenden, und bevor sie was sagen kann, begibt er sich auf den Rückzug zum Schuppen, sich nützlich machen. Kisten schleppen mit Keath.
Der ist schon seit Stunden sehr wortkarg. Dali kommt das entgegen, er hat sein Pulver restlos verschossen. Sein Vorstoß hat ihn selbst überrumpelt. Aber er ist froh, dass er sie angesprochen hat. Blitzschnell grübelt er in alle Richtungen: Könnte sie etwas falsch verstanden haben, hat er sich natürlich verhalten, verklemmt oder oberpeinlich? Kommen wird sie nicht. Niemals. Was für eine
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