Liebe stand nicht auf dem Plan
kann sehen, wie die Bilder miteinander korrespondieren.«
»Ich seh bloß, wie der Dreck mit uns korrespondiert«, sagt Maika mit einem Blick auf den völlig versauten Boden. Die Drinks sind nicht in die Kehlen, sondern direkt auf den Boden gekippt worden.
Die Rückwand der Bar trennt den Eingangsbereich vom großen Raum ab. Die gesamte Fläche bedeckend wirbelt Lars wie ein blasser Geist herum, knallt in einer Bewegung fünf Flaschen auf den Tresen. Ein Auge richtet er auf den Betrachter, das Mädchen mit den langen Haaren links unterhalb von ihm auch. Von allen anderen Figuren sieht man nur Rücken.
Gegenüber reitet Maika auf der Giraffe. Ein paar Meter weiter tanzt Keath. Rechts von der Bühne lacht Mehmet, und Leifs
Portrait besteht nur aus seinem Gesicht und einer Hand am Ohr. Ein lauschender, ausdrucksstarker Mafioso, dominierend, als seien die Konzerte exklusiv für ihn bestimmt. Die Stellwand steht links von der Bühne und verstellt die Sicht auf die Künstlergarderobe. Also können die Musiker jetzt viel diskreter von der Bühne verschwinden.
»Leif sieht tausendmal besser aus als im wahren Leben«, sagt Mehmet zu Dali. »Trotzdem weiß man sofort, dass er’s ist. Du Schleimer.«
»Er ist der Boss, der Chef vom Laden. Was soll man machen?«, sagt Dali gut gelaunt. Er hat eine Nacht nach seinem Geschmack in diesem Laden verbracht und kommt von einem sonntäglichen, vierstündigen Streitgespräch mit seinen Eltern. Dali nimmt nichts mehr persönlich.
»Putzen«, sagt Maika pragmatisch.
»Und was ist mit Nora?«, fragt Mehmet.
Die winkt ab, kommt aber nicht dazu, »lass mal, ich will nicht …«zu äußern.
»Nora wird mein Masterpiece«, sagt Dali. »Ich hab noch keinen Schimmer, was ich male, aber es wird was Besonderes.«
Er sagt das einfach so. Keath verspürt einen Stich und tastet nach der CD mit ihren Liedern in seiner Brusttasche.
»Na klasse«, mault Maika. »Ich, als deine Agentin, häng zwischen den Lokussen auf’ner Giraffe. Und wo, bitteschön, kommt das Meisterwerk hin?«
Keine Ahnung. Nora hat ihn an seinem ersten Schultag in den Club eingeladen, ihn sozusagen initiiert. Dafür wäre er bereit, alleine für sie die Deiche auf 2000 Meter Höhe zu ziehen, damit sie dem Skifahren frönen kann. Aber Malen liegt ihm mehr.
Nora nestelt an der Sonnenbrille, die sie unterwegs für € 3,90 auf dem Markt gekauft hat. Riesig, mit knallrotem Rahmen, der
das halbe Gesicht und auf jeden Fall ihr blaues Matschauge verdeckt. Wenn sie durchguckt, kann sie UV-Strahlen sehen, sonst nichts. Sie schiebt sie hoch und entdeckt auf dem Bild feine Schweißfontänen, die von Lars’Stirn direkt in die frisch servierten Bierflaschen tröpfeln. Ein winziges Detail.
»Mal einfach abstrakt und orientiere dich nicht an der Vorlage. « Sie grinst Dali an und zeichnet mit dem Finger die Spur der Schweißtröpfchen nach.
»Ih, äh, pfui!«
»Wenn Lars das sieht!«
»Eklig!«
Dali nimmt die Kommentare als Schulterklopfen hin.
»So leise! Wird heute nicht geputzt? Streikt ihr etwa?«, tönt der Chef im Vorraum.
Im Gegenteil, seine mit Eimern ausgerüstete Elite-Putzkolonne ist mehr als willig, ihren Verpflichtungen nachzugehen. Nora vorneweg, sie beugt sich tief über den Eimer, weil Leif ihr Gesicht nicht sehen soll. Aber vor allem will sie nicht auf den Paarlauf mit Schrubber, Seite an Seite mit Keath, verzichten.
»Donnerwetter.« Es ist nicht klar, ob sich das auf den Dreck oder auf Dalis Bilder bezieht. »Komm mal mit.«
Alle, bis auf Dali, machen sich ans Werk. Mit einem Knopfdruck beendet Mehmet die Stille.
»Hinter der Bühne steht noch ne Stellwand, kannst du da mein Portrait genauso noch mal draufmalen?«
»Äh, ja.«
»Dann lass ich das fertige Bild nachher abholen.«
»Das geht nicht. Wenn’s ne exakte Kopie werden soll, brauch ich die Vorlage.«
»Geht nicht«, hört Leif nicht gern. Vor allem nicht, wenn er
ausnahmsweise mal gut drauf ist. Radfahren ist ein super Training. Die Pitbull-Typen haben sich verzogen. Wer weiß, ob der abgefackelte Roller überhaupt auf ihr Konto geht. Seit einer Woche hat’s keinen Stress im Laden gegeben, und er läuft besser denn je. Durch Mehmets Doppelfunktion als Putzmanager und Tontechniker spart Leif ein Gehalt ein. Und dann liegen da auch noch 80 Fünf-Euroscheine vor ihm. Zwei Mieten für Noras Kinderclub. Soso, die denkt also, sie könnte ihn vor vollendete Tatsachen stellen. Wenn sie sich da mal nicht gewaltig irrt …
Dali unterbricht Leifs
Weitere Kostenlose Bücher