Liebe Unbekannte (German Edition)
jetzt hör zu: Was würdest du sagen, wenn ein fuchsgesichtiger, hagerer Kerl von zwei Metern, mit Baskenmütze, in kackfarbenem Arbeitskittel und Sandalen an seinen schwieligen Füßen, dich in sein Büro kommen ließe, dich aufforderte, dich zu setzen, dir ein Bonbon anböte (nichts anderes, denn er ist ein alter Geizhals!) und dir dann mit breitem Lächeln mitteilte, dass man bis zu einem gewissen Grad auch selbst dafür verantwortlich sei, in welche Epoche man geboren werde?“, fragte Kornél feierlich, wobei er die Antwort ahnte.
„Ich würde vor Freude an die Decke springen“, sagte Gábor mit strahlendem Gesicht, da er in seinem ganzen Leben auf diesen Augenblick gewartet hatte.
„Dann ist ja gut, denn mir ist genau das passiert“, erwiderte Kornél. Und dann erzählte er von Patai.
Der Antichrist lebe, existiere tatsächlich, heiße Patai und treibe sich in der Korvin Bibliothek herum. Er wisse alles und auch das Gegenteil von allem. Er verfüge über einen Überblick, den sich Gábor und er nicht einmal im Traum verschaffen könnten. „Aber über wirklich alles, was du willst, angefangen bei Staatsgeheimnissen bis hin zu Frauen. Er hatte mehrere Hundert Frauen, vielleicht waren es aber auch Tausend. Er bewegt sich in ganz anderen Sphären als wir, Gábor, das kannst du mir glauben. Gleichzeitig ist er aber auch ganz wild auf Adepten. Er wird ja auch nicht jünger. Seine Frau ist gestorben, danach hatte er einen Nervenzusammenbruch, seit einer Weile geht es ihm wieder besser, aber die Einsamkeit macht ihm immer noch zu schaffen.“ Als Kornél mit ihm gesprochen habe, habe er wie ein Wasserfall geredet und ihn kaum gehen lassen. Er sei ihr Mann! Genau so einer, nach dem Gábor und er gesucht hätten.
Der Meister
.
Gábor hörte zwar zum ersten Mal davon, dass er und Kornél einen Meister suchten, von einem Meister war in ihren Plänen eigentlich nie die Rede gewesen, aber die Idee gefiel ihm, ja, er stellte mit Verwunderung fest, wie einfach die Sache war. Ein Meister! Ja, sie brauchten einen Meister. Klar. Ein Meister war schon immer das gewesen, was sie gesucht hatten.
„Wahnsinn“, sagte er als eine Art Zusammenfassung, wobei seine Augen glänzten.
Nun kam Kornél auf die Schwierigkeiten zu sprechen, denn ganz so einfach würden sie es mit Patai nicht haben. Denn Patai sei ein wirklicher Schurke. „Echt, Gábor, du hast noch nie einen wirklichen Schurken getroffen, und ich auch nicht, aber hier müssen wir tüchtig aufpassen, denn ich will nicht in irgendeine Scheiße schlittern … Wir müssen die Oberhand behalten, und Patai ist gerade deshalb vielversprechend, weil er über den Dingen steht, aber immer noch einen Einblick in alles hat, er ist ein zahnloser Löwe, aber ein echter Löwe. Mit einer gigantischen Mähne.“
„Ich sag doch, dass das der Wahnsinn ist“, sagte Gábor mit einem Schulterzucken, als wäre er bereits lange ein Patai-Anhänger: Da musste doch nicht viel dazu gesagt werden, das Ganze war so, wie es war, einfach nur perfekt. Denn genau das war Gábor in diesem Moment bereits: ein alter, typischer Patai-Anhänger. Ja, er war das Musterbeispiel eines Patai-Anhängers.
Das war es, was Kornél am meisten an ihm mochte. Dass er die Begeisterung einfach so übernehmen und sich wie einen Sack über die Schulter werfen konnte. Und von da an trug er sie. Wie auch diesmal.
„Ich möchte Einzelheiten hören“, sagte Gábor plötzlich im Ton des nervösen Chefspions. „Daten, Fakten! Verschonen Sie mich mit der Mähne! Für Mähnen haben wir keine Zeit. Mähne! Ich fasse es nicht, Mähne sagt er … Wir haben keine Zeit, und er faselt hier etwas von einer Mähne. Ich will Ergebnisse sehen, keine Mähnen!“
Gábor trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch und Kornél lachte. Zufrieden stellte er fest, Gábor glücklich gemacht zu haben, denn Patai war wirklich jemand für Gábor, sie waren wie füreinander geschaffen, und Gábor erzählte ihm nicht, dass er wirkliche Schurken kannte, sogar mehrere. Da waren zum Beispiel seine Eltern, der Polizeioberst Kender und die Polizeihauptfrau Kender, gewiss, sie waren eher von kleinem Kaliber, denn sie liebten ihn und hatten, soweit es ihnen möglich war, versucht, ihn zu einem freien Menschen zu erziehen. Sie ließen zum Beispiel zu, dass er, zumindest für ihre Begriffe, verlotterte und sich lange, fettige Haare wachsen ließ, und sie tolerierten alles, was mit den langen, fettigen Haaren einherging. Die zerrissenen,
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