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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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mit den Worten:
Es küssen dich, Kornél und Emőke. P.S.: Ich habe den Antichrist gefunden, Details gibt’s dann mündlich, ich umarme dich, Kornél
.
    Gábor machte sich ein wenig Sorgen, wie lange die Idylle wohl anhalten würde, aber die Details konnte er kaum erwarten. Es dauerte einige Wochen, bis er Urlaub bekam und Kornél ihm die Details mündlich erzählen konnte. Sie waren zu diesem Zweck in eine Kneipe gegangen, denn Kornél hielt es nun für überflüssig, auf dem
Fels der Idioten
herumzualbern – „Endlich gibt es Tatsachen, Gábor, Tatsachen und eine außergewöhnliche Zukunft! Wir werden sehr viel zu tun haben, dürfen die Zeit jetzt nicht verschwenden.“ Gábor verlor nicht einmal die Fassung darüber, dass Kornél ihre schönste gemeinsame Erinnerung als Herumalbern bezeichnete, so neugierig war er auf die außergewöhnliche Zukunft.
    Sie trafen sich am
Astoria
. Bis sie in der Kneipe namens
Faktotum
ankamen, hüllte sich Kornél in geheimnisvolles Schweigen. Kornéls Fähigkeit zu schweigen war auch etwas, das Gábor Respekt einflößte. Kornél ging alles mit Stil an. Gleichzeitig ging genau das Gábor manchmal ziemlich auf die Nerven, dennoch hielt er es bis zum
Faktotum
aus, was ein idealer Ort war, da beide Frauen, die an den Tresen arbeiteten, in Kornél verliebt waren, was einen nicht von der Hand zu weisenden Vorteil hatte: Kornél und Gábor konnten hier, zwar nur beschränkte Mengen, aber immerhin kostenlos trinken, und das zu jeder Tageszeit. Im
Faktotum
weihte Kornél Gábor in die Wahnsinnszukunft ein. Diese schien in der Tat der helle Wahnsinn zu sein, wobei Kornél ihm zunächst mitteilte, er habe wahrscheinlich einen Gehirntumor. Das erzählte er jedoch eher der Wirkung halber, um zu verdeutlichen, dass sie nicht endlos viel Zeit und sehr viel gemeinsam zu erledigen hätten. Kornél hatte schon immer Angst vor einem Gehirntumor gehabt, dennoch bekam Gábor einen Schreck, weil er schon oft gelesen hatte, dass viele Menschen daran starben, wovor sie sich ihr ganzes Leben lang gefürchtet hatten. Sogar ganz junge. Kornél war sich übrigens selbst über seine Neigung zur Hypochondrie im Klaren, deshalb war das Thema
Gehirntumor
, nachdem er einige verdächtige Zeichen aufgezählt hatte, abgehakt.
    „Sei beruhigt, vorläufig habe ich keineswegs im Sinn, ins Gras zu beißen“, sagte er. „Das Unangenehme daran ist nur, dass das mittlerweile vielleicht sogar völlig egal ist. Wie es aussieht, steht jetzt einiges mehr auf dem Spiel. In concreto könnte das bedeuten, dass wir innerhalb eines Jahres alle ins Gras beißen werden.“
    Kornél deutete mit den Händen eine Kugel an, die für die Menschheit stehen sollte. Einen Augenblick lang sagte keiner von ihnen etwas.
    Gábor kaute am Rand seiner Tellermütze. Er hörte aufmerksam zu, da Kornél eigentlich nie ins Blaue hineinredete, wobei er diesmal sicherlich übertrieb. Es muss aber gesagt werden, dass obgleich er und Kornél ihre tiefgreifendsten Diskussionen stets über Gott führten (diese waren es, die meist auf dem
Fels der Idioten
mit dem verzweifelten Brüllen endeten), das Ende der Menschheit aber auch kein Gedanke war, der ihnen fern gelegen hätte. Sie waren offen für die diversesten Enden, wie die meisten über ein entwickeltes Gehirn verfügenden (oder eher mit diesem kämpfenden) Menschen in ihren Zwanzigern. Das Ende der Menschheit hing seit ihrer frühen Kindheit in der Luft. Im Geschichtsunterricht war häufig vom Dritten Weltkrieg die Rede, bei Sportfesten wurden Handgranaten geworfen, und bei den etwas lockereren Biologiestunden am Jahresende wurden gewisse, heute noch nicht bekannte Krankheiten erwähnt, die jederzeit ausbrechen könnten: Manche von diesen seien für militärische Zwecke entwickelt worden, andere seien von selbst, durch Mutation entstanden und warteten nun auf den geeigneten Moment, um auszubrechen. Und man sprach natürlich auch von Krankheiten, die es schon immer gegeben, die man zuvor nur nicht für Krankheiten gehalten hatte.
    Gábor ahnte jedoch bereits, dass sein Freund von etwas anderem sprach. Nicht von einer einfachen Möglichkeit, sondern einem tatsächlich stattgefundenen Ereignis.
    Denn im Frühjahr dieses Jahres war eine große Wolke aufgetaucht. Es war eine riesige Wolke. Sie hing über mehreren Ländern gleichzeitig. In dieser Wolke gab es Wasser, Staub und Mineralstoffe und Elektrizität und Blitz und Donner, Flugzeuge, es gab die Form eines Fuchses darin, die eines Hasen, ja, es

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