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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Dann verging die Nacht, und Magda Feld blieb am Leben. Sie hatte einen Herzrhythmusfehler gehabt, dessen Ursache eher psychisch als organisch gewesen war. Emőke Széles war sich später sicher, an diesem Morgen, als sie und Kornél aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen und mit bleiernen Gewissensbissen ins Bett gefallen waren, schwanger geworden zu sein. Den ganzen nächsten Tag verbrachten sie im Streit. Tabaki,
Das Symbol der Freiheit
, war das Hauptthema, über ihn machte sich Kornél lustig, allerdings mit ziemlich bitterem Beigeschmack, da ihm inzwischen klar geworden war, dass er auch niemanden kannte, der freier war als Tabaki. Dabei erniedrigte er Emőke Széles jedoch unsäglich, was er gar nicht bemerkte. Am dritten Tag zog Emőke zu ihrer Mutter zurück, und Kornél sprach mit dem ahnungslosen Tabaki eine ganze Weile nicht.
    Es folgten noch schlimmere Wochen, aber egal, was später geschah, diesen einen schönen, sonnigen Nachmittag im September, an dem sie gemeinsam auf dem Balkon des Palastes saßen, Bier tranken und sich fröhlich unterhielten, konnte ihnen keiner wegnehmen.
    „Wieso schreibst du eigentlich nichts?“, fragte Tabaki zum Abschied. „Du könntest ein echt großer Künstler sein.“
    Damit sprach er das große Geheimnis an, das Kornél bis zu seinem fünfundvierzigsten Lebensjahr das Leben schwer machte: die Frage nach der Berufung. Das war ein Geheimnis, von dem er lange Zeit dachte, es sei gar keins, sondern ein Rätsel, und zwar ein unlösbares. Wofür bewahrte er sich auf? Denn, wie er selbst mit einem mäßig gut gelungenen Vergleich zu Gábor gesagt hatte, bewahrte er sich, wie ein Dorfmädchen für die Hochzeit, für irgendetwas auf. Kein Wunder also, dass er dort auf dem Balkon Tabaki mehrere Minuten lang keine Antwort gab.
    „Ich habe noch unendlich viel Zeit“, sprach er schließlich wütend das aus, was er dachte, da er es hasste, nichts zu sagen.
    Die detaillierte Antwort erfuhr Kornél erst Monate später, und zwar von Patai. Es war eine gnadenlose und gründliche Antwort, mit tragischen und erschreckenden Elementen, sie war amüsant und lehrreich, und beinhaltete so viele Treffer hinsichtlich Kornéls Seele, dass dieser nicht umhin konnte, sie als Prophezeiung zu verstehen und ihr im Laufe seines späteren Lebens wohl oder übel Beachtung zu schenken. Kein Wunder also, dass Kornél, als er nach diesem Gespräch auf den Gang hinausgetaumelt war, Gábor „Mäuschen“ nannte, woraufhin sich dieser mit meiner Gesellschaft tröstete.
    Patai hatte sich Kornél seit Monaten für den richtigen Zeitpunkt aufgehoben, was dieser auch ahnte. Dann wählte er die Mittagszeit des Tages, an dem Tante Maras Leichenschmaus stattfand, um sich unter vier Augen mit Kornél zu unterhalten, also zu dem Zeitpunkt, als Gábor auf dem Hof auf Onkel Olbach wartete. Patai wollte Onkel Olbach nicht begegnen, da er es nicht für ausgeschlossen hielt, dass Onkel Olbach vielleicht etwas mit ihm klären wollte, und auch nicht, dass – wenn dieser schon einmal da war – vielleicht er selbst etwas mit Onkel Olbach hätte klären wollen. Er hielt keinen der beiden Fälle für notwendig.
    „Na, auch schon wach?“, fragte Patai freundlich.
    „Schon seit einer ganzen Weile“, antwortete Kornél mürrisch.
    „Haben Sie etwas Schönes geträumt?“
    „Wenn Sie mich feuern wollen“, sagte Kornél feindselig, „dann sollten wir es schnell hinter uns bringen. Ich weiß selbst, dass ich keine einzige Sekunde gearbeitet habe, seitdem ich in der Bibliothek angestellt bin.“
    „Und hier gewohnt“, präzisierte Patai Kornéls Aussage.
    „Und hier gewohnt habe.“
    „Ich bin sehr mit Ihnen zufrieden“, sagte Patai grinsend. „Mit Ihnen ist alles in Ordnung. Und Ihre Freundin hat das Schlimmste auch schon hinter sich.“
    „Das geht niemanden etwas an“, erwiderte Kornél ruhig. Er dachte, Patai spiele nur darauf an, dass er und Emőke Széles sich nicht entscheiden konnten, ob sie das Kind behalten wollten. Das war wirklich erbärmlich, aber es ging auch wirklich niemanden etwas an.
    „Und Ihre Freundin ist sie auch nicht mehr“, sagte Patai. „Da Sie jetzt getrennt sind. Genauer gesagt, ändert sich das nach meinen Informationen täglich.“
    „Sollte es einen Gegenstand für diese Unterhaltung geben, möchte ich Sie bitten, dass wir diesen jetzt ansprechen.“
    „Es gibt etwas, das ich Ihnen schon lange erzählen will. Sehen Sie, was ich trage? Ich meine nicht die Unterwäsche, das soll

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