Liebe Unbekannte (German Edition)
gehen.“
Ein anderes Mal hätte Emőke Széles liebend gern gesehen, wie Patai errötete, nun befand sie sich jedoch in einer Verfassung, in der sie selbst das nicht mehr interessierte.
„Unappetitliche Frauengeschichten, Herr Patai?“, fragte sie dennoch und versuchte zu lächeln, stattdessen brach sie jedoch in Tränen aus, so dass Patai ihr die Details wirklich ersparte, allein schon deshalb, weil er damals auch mit Emőke Széles’ Mutter eine flüchtige Affäre gehabt hatte, in der dem vitalen Gynäkologen aber keine Rolle zugefallen war. Trotzdem konnte er nicht wissen, was die Rechtsberaterin, Dr. Magda Feld, ihrer Tochter über ihr Liebesleben vor deren Geburt erzählt hatte.
„Ist ja gut“, sagte er und strich Emőke Széles über den Kopf. „Wir wollen also eine hässliche weibliche List anwenden. Ich hole Sie morgen früh um sechs ab und fahre mit Ihnen zum Gynäkologen. Dort bekommen Sie die Papiere, die die Abtreibung bestätigen und diese können Sie in den nächsten Wochen jedem unter die Nase halten, der sie diesbezüglich belästigt. Ihrer Mama, Ihrem Geliebten, jedem, der Ihnen nicht glaubt, dass Sie das, was wegzumachen war, haben wegmachen lassen. Jeder wird Ihnen glauben, dass das Kind weg ist. Wir können natürlich nicht ausschließen, dass Sie zum Schluss von unserem Freund Kornél ein paar Ohrfeigen erhalten werden, diese werden Sie sich ja auch verdient haben, wobei ich das Schlagen von Frauen für keine brauchbare Methode halte.“
Emőke Széles dämmerte es langsam.
„Soll ich ihm vorlügen, ich hätte abgetrieben?“
„Genau das sollen Sie tun. Dazu sind Sie doch eine Frau, oder? Bis Neujahr sind es noch drei Wochen. Zu Silvester gestehen Sie ihm brav, weshalb Sie auf den Eierlikör verzichten. Da wird der gute Kornél nichts mehr machen können. Wenn ich richtig rechne, werden Sie weit über die vierzehnte Woche hinaus sein.“
Und am nächsten Morgen klingelte es in der Wohnung in der Ede-Paulay-Straße. Oszi Kerekes hatte mit einem eingeübten, beruhigenden Lächeln die Klingel gedrückt; ihn hatte Patai hinaufgeschickt, da er Magda Feld nicht begegnen wollte, die im Morgenmantel erschrocken das kleine Fenster in der Tür öffnete. „Oh, mein Gott.“ „Schönen guten Morgen, hat das Mädchen alles zusammengepackt?“ Das beruhigende Lächeln gehörte nicht zu Oszis Stärken, vor allem nicht nach einem frühmorgendlichen Klingeln, so dass Magda das Herz um ein Haar stehen blieb. Es dauerte beinah anderthalb Sekunden, bis sie Oszi anschrie, wer er sei, was er wolle, ob er betrunken sei oder was, er solle gefälligst abhauen, als sie plötzlich von hinten umgerannt wurde: Emőke stürmte mit der Tasche in der Hand aus dem Badezimmer. Sie schob ihre Mutter beiseite, hing inmitten eines heftigen Wortgefechts die Sicherheitskette aus und lief Oszi ins Treppenhaus hinterher. Magda zerrte sie kreischend zurück. „Warte wenigstens, bis ich mich angezogen habe!“ „Lass mich, Mama!“ „Dann sag mir wenigstens, welches Krankenhaus …“ Da waren sie bereits unten vor dem Eingangstor, wo sich Emőke rasch in den Dienstwagen der Bibliothek neben Patais unverkennbare Silhouette setzte und den Türknopf hinunterdrückte. „Zerren Sie bitte nicht an der Klinke“, sagte Oszi zum Abschied, „die Tür wird sowieso nicht aufgehen.“ Magda blieb im Morgenrock vorm Haus stehen. Später rief sie in der Arbeitsgemeinschaft an, um sich krank zu melden und wartete auf ihre Tochter. Und Emőke wurde von dem alten Gynäkologen untersucht, der ihr die Papiere darüber ausstellte, dass die Abortio stattgefunden habe. Emőke wartete noch eine Weile und ging schließlich nach Hause.
Väterliche Lektion hin oder her, vor Schreck hätte Patai Kornél all das wahrscheinlich sogar gebeichtet, wenn dieser den braunen Arbeitskittel nur noch ein bisschen länger festgehalten hätte, da Kornél jedoch schließlich Selbstbeherrschung zeigte, blieb das Geheimnis vorerst ein Geheimnis.
Dann wurde es Nachmittag. Und Magda Feld schickte Kornél, der, nachdem er die Flasche Cognac ausgetrunken hatte, entgegen Patais Ratschlag in der Ede-Paulay-Straße erschien, nach Hause. Magda hatte da bereits acht Tassen Kaffee getrunken sowie mehr als anderthalb Schachteln Zigaretten geraucht und war verhältnismäßig ruhig. Ja, der Eingriff sei erfolgt, Emőke sei am Vormittag aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen, sie sei nicht dageblieben, habe sich wirklich schlafen gelegt, dann sei sie jedoch zu unruhig
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