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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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dass es noch in Szombathely passiert war? Und nicht, als sie bereits wieder in der Tűzoltó Straße lebten? In der Tűzoltó Straße hatten sie eine außerordentlich fröhliche Zeit. Damals machte ein enthusiastischer Budapester Ingenieur ihrer Mutter den Hof, der nie trank und mit Edit und Emma eine Zugreise nach Siebenbürgen unternahm, im Rucksack ein Hilfspaket für die Bedürftigen, bestehend aus Schokolade, Säuglingsnahrung, ungarischsprachigen Zeitschriften und dem Wichtigsten: der Bibel und einigen Packungen Antibabypille.
    „Ich habe deiner Mutter gesagt, dass sie sich die Haare färben lassen soll. Sie sollte eine Frau bleiben und keine Greisin aus sich machen. Sag du es ihr auch. Sie soll sie sich färben. Verdammt noch mal.“
    Ihr Vater saß ihr gegenüber und aß. Verschlang sein Essen. Er war vor einer Viertelstunde ins
Faktotum
gekommen und hatte sich geräuschvoll an Emmas Tisch gesetzt.
    „Es ist mir gelungen, deiner Mutter zu entkommen“, sagte er, schniefte und wandte sich an die Kellnerin. „Wir hätten gerne zwei Kirschschnäpse, oder wenn meine Tochter auch einen möchte, dann drei.“
    Er zwinkerte Emma zu, sie lächelte ihn an.
    „Und ob sie möchte“, sagte sie.
    „Und die Speisekarte. Die gehört dir, oder?“
    Er legte eine Nelke vor Emma auf den Tisch.
    „Sie lag hier auf dem Stuhl unter meinem Allerwertesten. Also dieses Kaffeetrinken war schon immer die Manie deiner Mutter. Es knurrt einem der Magen, und sie sagt, ich habe jetzt keinen Hunger, aber du iss ruhig, wenn du kannst, Iván. Es geht um deine Zukunft, Iván, aber wenn du nur ans Essen denkst, was soll ich dazu noch sagen? Ich kann nicht einmal daran denken, etwas zu essen, aber mach ruhig, Iván. Verflucht, das ist zum Verrücktwerden.“
    Emmas Vater war ein Science-Fiction-Maler: Er malte für die Schweden große, fette Monster mit dem endlosen Weltraum im Hintergrund, davon lebte er. Emma musste lächeln, wie sie ihrem Vater zuhörte, der ihre Mutter nachahmte. Sie war mit ihm zufrieden, genau so eine robuste Erscheinung hatte sie sich aufgrund ihrer frühen Erinnerungen und den seltenen Nachrichten vorgestellt. Der Erinnerungsanfall war vorbei. Vom Tod war nichts mehr zu spüren. Das Gedichtheft und der Stift hatten sich in der Realität des
Faktotums
aufgelöst wie zwei Stückchen Würfelzucker.
    „Hör zu, Emmi. Diesem Trauerspiel müssen wir ein Ende bereiten. Im Frühjahr kommt Papa nach Malmö. Wir arrangieren das schon. Wir organisieren ihm eine Lesereise, was sagst du? Die Ungarn im Ausland werden ihn auf Händen durch Europa tragen. Wir organisieren das! Ich habe mit deinen Onkeln gesprochen. Sie sind auch dabei. Wir kriegen den Alten schon wieder hin. Eine Übersetzung lassen wir auch machen. Er soll alles bekommen. Nur müsste er bis dahin in Nyék wohnen, denn am Ende ergeht es ihm wie der armen Mama, weil deine Mutter ihn ständig bedingst … na, sag schon.“
    „Bemuttert.“
    „Genau. Du hilfst mir doch, oder? Der Alte will so überhaupt nicht mehr leben, aber wir müssen ihn nur richtig bearbeiten! Das wäre deine Aufgabe, Emmilein. Sag ihm immer wieder: April – Malmö! Mai – Stockholm! Damit er sich an den Gedanken des Reisens gewöhnt.“
    „Wie wäre es, wenn ich mit ihm nach Nyék ziehe?“, dachte Emma laut nach, wobei sie die Nelke langsam in den Aschenbecher zerbröselte.
    „Du“, sagte ihr Vater überrascht, „das wäre verdammt gut. Aber was wird dein Kumpel dazu sagen?“
    Er meinte den jungen Psychiater, mit dem Emma seit Mai zusammenlebte. Seinen Namen würde ich nur ungern niederschreiben und wenn es nicht zwingend notwendig wird, werde ich es wohl auch nicht tun. Dabei war er kein unsympathischer Kerl, im Gegenteil, er war beinah schon perfekt. Was er anpackte, gelang ihm, er wusste, was er nicht anpacken sollte und worin er nicht gut war, damit hörte er rechtzeitig auf. Zu dieser Zeit gab es jedoch noch nichts, womit er aufgehört hätte. Er zeichnete, drehte Amateurfilme und gucken konnte er auch: Dabei neigte er den Kopf etwas nach unten und warf so seinen dunklen Blick nach oben auf sein Gegenüber. Natürlich malte er auch. Kein Wunder also, dass er, in Gesellschaft einiger Dutzend ihm ähnlicher junger Halbgötter, mit gleichmäßigem Licht am Himmel von ein- bis zweitausend Budapester Jugendlichen glänzte. Um Emőke Széles zu zitieren: Die Frauen hatten einen „unglaublichen Schmacht nach ihm“, und davon war Emma im Grunde nicht ausgenommen. Deshalb ist es für

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