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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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echt tolle Frau geworden!“ Oder:
    „Du Emma! Ich hätte gar nicht gedacht, dass du so eine hinreißende Frau wirst!“
    Oder:
    „Mein liebes Fräulein Emma, vor Kurzem saßen Sie noch auf meinem Schoß und jetzt sind sie klammheimlich eine wunderschöne, erwachsene Frau geworden!“
    Oder irgendetwas anderes. Angeblich kennen Sie sich ja mit Frauen aus. Sie müssen auch nichts sagen, es reicht auch, wenn Sie mich ansehen, vorausgesetzt der Blick ist entsprechend
.
    Das ist alles, worum ich Sie bitten möchte. Bei gegenseitiger Sympathie kann auch eine ernsthaftere Beziehung infrage kommen (Auf streng platonischer Ebene!)
.
    Das ist natürlich ein Spiel, aber mir ist es sehr ernst damit. Ich möchte hören, dass ich eine Frau bin. Und nichts anderes. Natürlich hätte ich zu diesem Zweck auch ein Foto von mir im Bikini schicken können, mit einem frankierten Rückumschlag (bitte ankreuzen: tolle Frau – keine tolle Frau), aber ich habe kein Foto von mir im Bikini. Und ich möchte, dass die Sache am selben Schauplatz wie damals passiert. Dort, wo es schiefgegangen ist. Ich möchte es nicht nur. Ich bitte Sie darum
.
    Sie haben mir vor Jahren geschrieben, dass wir uns an einem diskreteren Ort als dem Café New York treffen sollten. Darauf antworte ich jetzt:
    PIONIEREISENBAHN, HALTESTELLE SÁGVÁRI-LIGET. AM 6. MAI, AB ABENDS UM ACHT, AM BAHNSTEIG
.
    Ich komme mit dem Auto, falls Sie also mit dem Bus oder der Pioniereisenbahn kommen, und wir uns irgendwo bis spätabends unterhalten sollten, kann ich Sie nach Hause fahren. (Ich schreibe Ihnen meine Anschrift und Telefonnummer, falls der Zeitpunkt aus irgendeinem Grund nicht passen sollte.)
    Es wäre für mich sehr wichtig, dass Sie kommen. Ich weiß jedoch ohnehin, dass Sie kommen werden, denn auf so einen Brief hin kann man nicht nicht kommen. (Es ist Ihre ritterliche Pflicht!)
    Ich hoffe, meine Zeilen gingen Ihnen ausreichend zu Herzen und waren nicht zu beängstigend
.
    In Liebe (wirklich!):
    Emma Olbach
    In der Nähe der Haltestelle Ságvári-liget herrscht meist ziemlich viel Verkehr. Hier befindet sich der Pass zwischen János-Berg und Hárs-Berg, hier kann man mit dem Auto oder dem Bus von Buda nach Budakeszi fahren. Hier kreuzt die Pioniereisenbahn die Budakeszi Straße, hier treffen mehrere Wanderwege sowie eine aus dem Wald kommende Asphaltstraße aufeinander. Letztere ist eine Serpentine: Sie beginnt am János-Berg und endet hier. Als Emma an jenem gewissen Abend mit ihrem Großvater, Patai und Ervin Gál vom János-Berg herunterspaziert war, hatten sie diese Serpentine mehrmals überquert. Vier oder fünf Mal, und Emma dachte jedes Mal, es sei eine neue ausgestorbene Waldstraße. Dabei war es immer dieselbe. Nur eben eine Serpentine.
    Sie war jetzt genauso ausgestorben wie damals.
    „Einfahrt verboten, Anlieger frei“, besagte das Verkehrsschild am Anfang der Straße.
    Wenn man ein Anliegen hat, ist man wohl auch eine Anliegerin, dachte sie, während sie von der Budakeszi Straße einbog. Sie und ihre Mutter hatten einen alten, roten Wartburg. Sie benutzten ihn gemeinsam. Sie parkte den Wagen am 6. Mai, ein paar Minuten vor zwanzig Uhr, an der Station Ságvári-liget.
    Es war noch hell. Menschen versammelten sich an der Haltestelle der Pioniereisenbahn. Sie warteten auf die Züge, um nach Hause zu fahren. Familien, zwei junge Pärchen, drei ältere Paare, und gerade als Emma ankam, kam eine ganze Klasse aus dem Wald zu der Station gelaufen.
    Die Station war also alles andere als gruselig. Sie war eher sehr klein. Sie war geschrumpft. Was nach so vielen Jahren auch ganz natürlich war. Emma war
seitdem
nicht mehr hier gewesen. Der Wald lag im Licht des frühen Abends. Es gab in der Nähe ein kleines Café. Es war sogar noch geöffnet. Was war damals so furchtbar gewesen an diesem Ort?
    Sie setzte sich auf eine Bank am Bahnsteig. Sie hatte damit gerechnet, warten zu müssen.
    Sie schämte sich ein bisschen für den Brief. Sie erinnerte sich nicht, ob sie am Ende die Ergänzung – auf streng platonischer Ebene – hineingeschrieben hatte oder nicht. Das könnte zu Missverständnissen führen. Sie würde eben einfach aufpassen müssen. Sie holte ihren Spiegel hervor. Sie war gut geschminkt. Nicht auffallend, aber die Augen auf raffinierte Weise betonend.
    Sie hatte folgenden Plan: Da Patai über die Frauen zu kriegen war, musste er hier eine unwiderstehliche Frau antreffen. Ihm würde sicherlich selbst klar sein, dass er mit Emma eine Rechnung zu

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