Liebe Unbekannte (German Edition)
jedoch nicht schwer.
Sie war diejenige, die schnell die andächtige Stille brach, damit er nicht auf die Idee kam, eine witzige Bemerkung fallen zu lassen, denn dann hätte sie gekreischt.
„So sind die verrückten Ungarn also“, sagte sie lachend und machte einen Knicks. „Wirklich. Fast alle sind so.“
Der junge namenlose Psychiater verstand immer noch nicht, wie die verrückten Ungarn waren, tat jedoch von nun an zumindest so, als würde er es verstehen. Und natürlich wollte er wieder mit Emma schlafen. Sie jedoch wollte jetzt nicht. Nackt sein bedeutete für sie nicht unbedingt etwas anderes, als dass sie zu Hause war. Sie und ihre Mutter liefen zu Hause nackt herum, im Zeichen einer Art Einfachheit.
Aus Emmas Begeisterung für die Fragen bezüglich des Schicksals der Ungarn folgte nicht, dass sie sich nicht hätte in jemanden verlieben können, der mit dem Begriff der Nation nichts anzufangen wusste. Außerdem dachte sie, dem jungen namenlosen Psychiater jetzt etwas nähergebracht zu haben und wusste noch nicht, dass man nie jemandem irgendetwas näherbringen kann, da es bei Diskussionen nie darum geht, den anderen zu verstehen. (Wobei sie das vielleicht bis heute nicht weiß, da ich nicht in der Lage war, ihr diesen Gedanken näherzubringen.) Sie hätte sich also in ihn verlieben können, zum Beispiel, wenn der junge namenlose Psychiater sie am nächsten Tag wachgerüttelt, ihr einen Kaffee vorgesetzt, sie dann ins Psychiatrische Institut geschleppt und in dessen Garten geschubst hätte.
„Siehst du, hier sind die verrückten Ungarn. Ich hole dich vorm Mittagessen ab.“
Dann wäre er bis zum Mittagessen verschwunden. Und sie hätte bis zum Abend begriffen, was in der Welt wichtig war und was nicht. Zum Beispiel, wie viel ein Gedicht verglichen mit dem richtigen Leben wert war (gar nichts), was der menschliche Hochmut verdiente (spöttisches Lachen) und wer sie war (eine eingebildete Gans). Und dass sie sich darüber freuen sollte, dass sie schön, gesund und bei klarem Verstand war. Sie hätte dort, im Garten der Irrenanstalt, schöne Biedermeierweisheiten begriffen, allen voran, dass die Frau des Mannes Partner in den Kämpfen des Lebens sei.
Der junge namenlose Psychiater bereitete ihr jedoch stattdessen ein Frühstück zu und schlug vor, über die Margarethenbrücke zum Lukács Bad zu spazieren. Es war Sonntagvormittag, sie spazierten dorthin. Von der unheilvollen Regenzone war nichts mehr zu sehen, die Sonne schien makellos, trotzdem konnte Emma der Versuchung nicht widerstehen, ihm am Nachmittag auf der Sonnenterrasse die bissige Frage zu stellen:
„Und wer kümmert sich jetzt um die Verrückten? Wenn ich fragen darf.“
„Bis jetzt habe ich drei gesehen“ antwortete der junge namenlose Psychiater ruhig. „Der eine kommt gerade aus dem Kaltwasserbecken.“
Seine fachliche und schlagfertige Antwort überzeugte Emma für eine Weile davon, dass der Mann, der ihr gegenüberstand, doch Herrscher über eine ganze Welt war, eine Welt, von der sie, Emma, die hier so große Töne spuckte, keine Ahnung haben konnte. Sie hörte auf, den jungen namenlosen Psychiater zu provozieren.
„Willst du damit sagen, dass ich eine dumme Gans bin?“, fragte sie in sanfterem Ton.
„
Ich
habe das nicht gesagt“, antwortete der junge namenlose Psychiater.
„Du bist gemein“, sagte Emma lachend und gab ihm einen Kuss.
Damals gelang es ihnen noch, sich hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob es sich hierbei um eine große Liebe handelte, ganz souverän einen Aufschub zu gewähren. Als sie aus dem Lukács Bad kamen, wollte der junge namenlose Psychiater, dass Emma mit zu ihm in die Pozsonyi Straße kam. Sie könne ja bei sich zu Hause vorbeigehen und ihre Sachen holen. Sie solle also zu ihm ziehen. Er werde sie begleiten und ihr helfen. Emma war jedoch bisher noch nie zu jemandem gezogen und wollte auch jetzt nicht gleich bei ihm einziehen. Sie gab ihm den nassen Badeanzug zurück, den eine frühere Freundin bei ihm vergessen und nie abgeholt hatte.
„Lass uns ein paar Regeln aufstellen, in Ordnung?“
„Ich bin ganz Ohr.“
„Ach, egal. Lassen wir die Regeln. Ich möchte heute zu Hause schlafen.“
„Gut. Morgen?“
„Da muss ich lernen.“
„Du hast einen Freund.“
„Woher wusstest du es?“, log Emma, wobei es keine große Lüge war, da es zu diesem Zeitpunkt in der Stadt mehrere Männer gab, die mehr oder weniger zu Recht glaubten, sozusagen mit Emma zu gehen oder zumindest kurz
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