Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
Vom Netzwerk:
mit den Zähnen. Dann war Pali an der Reihe. Er sah Erika reumütig an.
    „Stimmt’s, ich habe etwas Falsches zu Tante Irénke gesagt?“
    „Es ist halb so wild, Pali, nur sind Frauen nicht sonderlich davon begeistert, als Tante bezeichnet zu werden“, erklärte Erika und fügte nicht hinzu, dass dies vor allem der Fall sei, wenn sie von großen, dicken Proleten so genannt würden. Mir wurde plötzlich klar, dass Erika Onkel Jónás mit diesem einen geschickten Satz Mutters ganzen Ausbruch erklärte. Ich bewunderte sie dafür, obgleich Pali trotzdem niedergeschlagen war: Er verstand, dass er etwas gesagt hatte, was man mit seiner Statur, seinem Verstand und seiner Herkunft nicht hätte sagen dürfen. Er drehte den Verschluss seiner Parfümflasche auch gleich wieder zu. Erika musste ihn anflehen, sie nun endlich zu begießen. Das hätte vielleicht gar nicht gereicht, doch dann überwand sich Gerda ebenfalls, denn Pali Wampe tat auch ihr leid.
    „Nun mach schon“, sagte sie und beugte den Kopf unter die Parfümflasche. „Verschone mich nicht.“
    Dabei verdrehte sie die Augen, was Pali jedoch nicht sehen konnte. Einen Wangenkuss gab es nicht.
    „Bitte, nehmt euch ein Osterei“, sagte Erika zu den beiden. „Tomi, für dich nur einen Fingerhut voll. Für mich auch.“
    „Für mich nichts“, sagte Gerda. „Erika, haben wir Milch da?“
    „Schau nach, mein Herzblatt.“
    „Ich habe nur gerade die Hände voll. Und Tomi ist offenbar blind.“
    Gerda war damit beschäftigt, den Kater zu halten. Ich half ihr, ihm zu trinken zu geben. Ich holte die Schüssel unserer Katzen, und wir gossen ihm etwas Milch hinein. Gerda kniete sich, ohne den Mantel auszuziehen, neben ihn und machte ihm mit übertriebener Mimik vor, wie er die Milch trinken sollte. Onkel Jónás und Pali suchten sich jeweils ein rot gefärbtes Ei aus der Osterschüssel und setzten sich wieder. Mit anderen Worten, sie gingen nicht, was wir diszipliniert zur Kenntnis nahmen. Wegschicken konnten wir sie nicht, also mussten wir uns mit ihnen unterhalten. Das war halb so schlimm, Erika konnte das gut. Sie ergriff auch gleich das Wort. Den ersten Schreck hatten wir überwunden. Jeder kümmerte sich um seinen Bereich. Erika unterhielt sich mit den Gästen über Belanglosigkeiten, Gerda half dem Kater beim Trinken und warf dabei verächtliche Blicke zu Erika, die stellvertretend für die gesamte Familie mit den Gästen plauderte. „Du lieber Himmel“, las ich von Gerdas Lippen. Ich dachte an die
Elysischen Gefilde
. Wenn Mutter und Vater sich im Wohnzimmer nicht gestritten hätten, wäre die Lage beinah idyllisch gewesen. Zum Glück überbrückten unsere drei richtigen, ureingesessenen Katzen die angespannteren Momente. Sie kratzten empört an der Außenseite der Eingangstür. Sie hatten recht. Sie durften nie in die Wohnung und nun hatten wir ihnen sogar die Schüssel weggenommen.
    „Sie sind eifersüchtig. Sie spüren den Geruch der neuen Katze“, flüsterte Onkel Jónás anerkennend. Er zollte jedem Tier Anerkennung, das sich seiner Art entsprechend benahm. Fairerweise sogar den Katzen, die er eigentlich nicht sonderlich schätzte.
    „Tomi, gib ihnen doch etwas zu fressen“, sagte Erika und schwatzte weiter. „Onkel Jónás, gibt es in Siebenbürgen Katzen? Oder eher Hunde?“
    („Du lieber Himmel“, las ich von Gerdas Lippen.)
    „Eher Hunde“, antwortete Onkel Jónás und fügte dann ergänzend hinzu: „Hunde sind größer. Deshalb sind sie besser geeignet, das Haus zu bewachen.“
    Onkel Jónás wusste, wohin Erika das Gespräch lenken wollte und er hatte auch nichts dagegen. Die Unterhaltung nahm eine schnelle und entschiedene Wende zu den Bärenabenteuern, die Onkel Jónás als Kind erlebt hatte. Das wäre uns allen als Zeitvertreib bis Vaters Rückkehr recht gewesen, ja, vielleicht sogar noch länger: Onkel Jónás war ein guter Geschichtenerzähler, und wir liebten Geschichten. Aber die alten Katzen hörten nicht auf, an der Eingangstür zu kratzen. Außerdem miauten sie dazu fürchterlich.
    „Mach endlich was, Tomi, sie kratzen noch die ganze Farbe ab“, sagte Erika ungeduldig. „Hol das Katzenfutter. Sie haben seit gestern nichts gegessen.“
    Das kratzte wiederum an meinem Selbstwertgefühl. Ich hielt zwar nicht besonders große Stücke auf Onkel Jónás und gar keine auf Pali Wampe, dennoch verletzte es mich, dass ich mich, als Mann, in ihrer Gegenwart um Katzenangelegenheiten kümmern sollte.
    „Ja, wirklich, beweg dich doch

Weitere Kostenlose Bücher