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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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jedem größeren Fest in der Stadt zu sehen waren, und zusätzlich noch einmal so viele Unbekannte, die erfahren hatten, dass in der Korvin Bibliothek eine Schattenregierung gegründet worden war oder gegründet werden würde, wir auf jeden Fall in einer historischen Zeit lebten. Diese Leute lagen falsch, da wir damals noch nicht in einer historischen Zeit lebten, in einer historischen Zeit lebten wir erst einige Jahre später, aber vielleicht stellt sich ja über diese unhistorischen Jahre auch irgendwann das Gegenteil heraus. Und natürlich waren die Bibliotheksleute da und einige ältere Mitarbeiter, die jedoch sehr bald die Flucht ergriffen. Alles in allem kann man sagen, dass ziemlich viele da waren, ja, Kornél behauptete einige Jahre später sogar entschieden, in der Bródy habe es an dem Abend vor Geheimpolizisten nur so gewimmelt.
    Schwesterchen fand ich in der Cafeteria. Sie saß auf Brülls Schoß, was mich nicht überraschte: Ich wusste von ihr selbst, dass sie eine Weile mit ihm zusammen gewesen war, und sie sich immer noch gut verstanden. Und tatsächlich, man sah ihnen von Weitem an, dass sie sich nur unterhielten, und es eben ihre Art war, sich so zu unterhalten. Und als Tabaki kam, um Brüll auf die Bühne mitzunehmen, setzte sie sich auf meinen Schoß.
    „Schau her, was ich habe!“, sagte sie stolz. „Hast du das schon mal gesehen? Du hast aber ein schönes Hemd.“
    Sie gab mir die Schlinge mit dem Stahlhaken, die bereits jeder von jedem hatte haben wollen, um sie an einen sicheren Ort zu schaffen, dann trug sie doch jeder mit sich herum, manche in der Tasche, manche um den Hals, manche in der Jackentasche, bis wieder irgendjemand kam und sie haben wollte. Brüll hatte sie um den Hals getragen, als Schwesterchen sie ihm abbettelte.
    „Das ist der Wahnsinn“, sagte ich. „Wo wird denn so etwas hergestellt?“
    Sie wusste es auch nicht. Denn diese Schlinge war offenbar nicht selbst gemacht, sondern irgendwo hergestellt worden. Das muss ein seltsamer Betrieb sein, dachte ich. Wer oder was war dort der Chef? Und was trieb ihn, so etwas herzustellen? Bloß gut, dass Mutter die Schlinge nicht gesehen hatte. Ich stopfte sie in die Tasche meines Jacketts. Ich dachte daran, sie mit nach Hause zu nehmen und in meine Schreibtischschublade zu tun. Sie hatte mich schon am Mittag irritiert, als ich sie um Brülls Hals erblickt hatte.
    „Hast du etwas dagegen, wenn ich sie mit nach Hause nehme?“
    Schwesterchen schüttelte den Kopf.
    „Nimm sie ruhig mit.“
    In dem Moment kam jedoch Gábor zu uns, zog die Schlinge aus meiner Tasche und zerschnitt sie mit dem Bajonett.
    „Nur damit das alte Eisen auch mal was zu tun hat“, sagte er grinsend. „Geht es euch gut?”
    Er drückte mir die zerschnittene Schlinge in die Hand. Éva Viola Dévai lachte.
    „Wie klug du bist“, sagte sie zu Gábor.
    „Und wie mutig“, fügte ich hinzu. „Das hätte sich sonst niemand getraut.“
    „Ach, wenn man das Tourette-Syndrom hat, ist das eine Kleinigkeit“, antwortete er bescheiden, freute sich jedoch sehr über das Lob. „Sie hat mich schon tierisch genervt!“
    Später raunte man, Schwesterchen habe auf der Toilette in der Schlinge gehangen, und Gábor habe sie gerettet. Man erzählte aber auch, Gyuri Keszi habe in der Schlinge gehangen, und Gábor habe ihn mit seinem Bajonett gerettet.
    Gábor beschloss, Schwesterchen und mich nicht allein zu lassen. Er sah, dass es mich nicht störte. Außerdem wusste er ohnehin nicht, wohin mit sich. Er zog sich einen Stuhl heran und schlug gerade vor, wir sollten uns doch ein Bier kaufen, als plötzlich Emőke Széles auftauchte, um mich zu retten.
    „Was machst du denn hier?“, fuhr sie mich an. „Geh Gedichte schreiben, statt dich mit Frauen zu amüsieren, gut? Das ist es nämlich, was du machen musst! Deine Gedichte sind verdammt gut. Vor allem das mit dem Träumen. Ich will dich nicht noch einmal mit einer Frau erwischen! Was machst du eigentlich hier?“
    Ich lachte verlegen, denn es traf mich unerwartet, so angefahren zu werden, vor allem, von Emőke Széles höchstpersönlich angefahren zu werden. Außerdem störte mich, dass sie so mit mir sprach, als wäre Éva Viola Dévai gar nicht da.
    „Ich meine, nicht hier, sondern in der Bibliothek?“, fuhr Emőke Széles fort. „Warum gehst du nicht an die Uni?“

„Das werde ich.“
    „Ja, klar. Man lässt sich treiben, was? Man ist ein Poet, hm? Und was wird mit der knallharten Realität?“
    Ich sah Gábor

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