Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
Vom Netzwerk:
er ja nicht ganz unbegründet war. Diese arme Csilla sei voller innerer Werte, zudem ausgesprochen hübsch und Gedichte möge sie auch und Tomi müsse ja nicht sein ganzes Leben mit ihr verbringen.
    „Wie konnte nur so eine Spießerin aus ihr werden?“, fragten Gerda und ich uns. Wir meinten damit Erika.
    Gerda hatte mir deutlich gesagt, ich solle ihr keine Eintrittskarte für den Bibliotheksball mitbringen, da sie sich auf keinen Fall an einem öffentlichen Ort blicken lassen würde, für Erika solle ich jedoch eine mitbringen, sie solle ruhig ein wenig unter Leute kommen.
    „Wie ist auch sie zu so einer Spießerin geworden?“, fragte ich mich, diesmal allein. Wie konnte sie so etwas von sich geben, wie
ruhig ein wenig unter Leute kommen
? Dabei war auch ich ein Spießbürger. Und bin es geblieben. Das heißt, wenn man mich mit der Frage wecken würde, ob eine schöne Frau von paarundzwanzig Jahren, die einen kleinen Sohn habe, den erstbesten gut situierten, geschiedenen Vierzigjährigen heiraten solle und das möglichst schnell, dann … nun, dann würde ich ohne zu zögern antworten, das solle sie auf keinen Fall, danach würde ich jedoch gleich ins Grübeln geraten, wie ich denn dazu käme, derartige Kompromisse zu verurteilen, wo ich selbst für Geld daran arbeite, die menschliche Rasse friedlich einschlummern zu lassen.
    Als ich Erika zwei Tage vor dem Ball die Eintrittskarte gab, fragte sie mich:
    „Du, Tomi, würde es dich stören, wenn, sagen wir, Csilla auch mitkäme?“
    „Wieso fragst du das erst jetzt? Woher soll ich ihr jetzt noch eine Karte besorgen?“
    „Ich habe doch nur gefragt. Du musst ja nicht gleich so genervt sein.“
    Als ich nach Hause kam, kam Mutter in den Flur, um mich zu begrüßen. Vielleicht hatte sie aber auch dort auf mich gewartet.
    „Wir dachten schon, du würdest gar nicht mehr nach Hause kommen. Erika hat sehr auf dich gewartet, dann ist es ihr doch zu lang geworden, und sie ist schon losgegangen.“
    Ich verdrehte die Augen.
    „Sie ist in die Burg gefahren? Das kann doch nicht wahr sein!“
    „Nein“, beruhigte mich Mutter. „Sie ist nicht zum Ball gefahren. Sie dachte, es wäre besser, wenn sie sich jetzt nicht an dich hängen würde. Das wäre dir doch bestimmt ein bisschen unangenehm? Es gibt im Kulturhaus diesen Filmklub … und ihr schadet es auch nicht, wenn sie mal ein wenig unter Leute kommt. Ach so, ja: Und ihre Eintrittskarte hat sie Csilla gegeben. Nur, dass du dich nicht wunderst. Du weißt doch, wer Csilla ist, oder? Ihre ehemalige Klassenkameradin.“
    „Ich weiß!“
    „Ich habe zu Erika gesagt, dass du bestimmt keine Zeit haben wirst, dich um Csilla zu kümmern. Vielleicht hast du ja andere Pläne. Oder habe ich etwas Falsches gesagt?“
    Mutter sah mich verschmitzt an.
    „Nein, du hast genau das Richtige gesagt“, sagte ich und verzog den Mund, konnte mir das Grinsen dann aber doch nicht verkneifen. „Sie hat Csilla also in die Burg geschickt? Das ist deshalb ganz toll, weil der Ball nicht in der Burg, sondern in der SándorBródy-Straße stattfindet.“
    „Na, dann geh doch vorbei und sag ihr Bescheid“, sagte Mutter mit einer großzügigen abwinkenden Geste, als ginge es um ein fernes Problem. „Nicht, dass sie allein dort herumsteht.“
    „Niemals!“, erwiderte ich so verstockt und gemein, dass nun auch sie lächeln musste. „Soll sie doch auf dem Löwenhof erfrieren, wenn sie nicht einmal auf die Idee kommt, beim Pförtner nachzufragen.“
    Diese männliche Lösung gefiel Mutter, sie zeigte ihr, dass ich einen freien Willen hatte.
    „Na, das nenne ich mal einen klaren Standpunkt“, sagte sie lachend. „Ich finde sie hübsch, aber du musst es wissen. Aus der Sicht eines Mannes ist das bestimmt anders. Gott bewahre, dass sie sich an dich dranhängt.“
    Dann flüsterte sie.
    „Tamás, sag mal, was ist mit diesem … deinem Freund? Ist er wirklich dein Freund?“
    Ich sah ihr an, dass sie sich nicht nur darüber Sorgen machte, Gábor könnte mich in schlechte Gesellschaft bringen, wodurch ich womöglich zu trinken anfangen und mit dreißig bereits Alkoholiker sein würde, sondern um etwas noch Schwerwiegenderes.
    „Komm mal mit, ich will dir etwas zeigen.“
    Wir gingen in die Küche, und sie schloss hinter uns behutsam die Tür. Sie hatte ihre Handtasche aus dem Flur mitgebracht. Sie flüsterte immer noch.
    „Vater hat gesagt, man muss der Sache keine Bedeutung beimessen. Deshalb will ich damit gar nicht vor ihm anfangen … Er

Weitere Kostenlose Bücher