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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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schaut gerade mit Balázs fern. Sie lachen sich gemeinsam schlapp. Es ist so gut, das zu hören … Es ist nur … ich will mich ja nicht in deine Angelegenheiten einmischen, aber was ist das für ein Kerl? Dass er ein Windhund ist, sieht man nämlich gleich. Und dieses Messer!“
    „Er benutzt es für nichts Schlimmes“, beruhigte ich sie. „Er ist nicht ganz dicht, aber es ist alles in Ordnung mit ihm.“
    „Ist er nicht gestört?“
    „Das hoffe ich sehr“, sagte ich grinsend, um sie ein bisschen zu erschrecken.
    „Aber hast du das Bild gesehen? Hat er es dir gezeigt?“
    „Was für ein Bild?“
    „Auf dem das hier war. Du, pass trotzdem mit ihm auf.“
    Mutter legte mir den Zettel hin.
    Hier ruht
John Torrington
Heizer des Schoners Terror
Leser, störe seinen Frieden nicht, wenn dir deiner lieb ist
.
    „Wie ist der denn hier gelandet?“
    „Gestern Abend“, gestand Mutter, „ist seine Tasche im Bad umgekippt und die Hälfte der Sachen hinausgefallen. Ich habe sie zurückgepackt. Und das lag oben. Es guckte aus irgendeiner Zeitschrift heraus. Es war hineingeklebt. Erst als ich die Sachen zurückräumte, fiel es ab. Und irgendwie ist es bei mir geblieben … Dabei habe ich versucht, es zurückzukleben, habe es nur nicht hinbekommen, du weißt ja, wie ungeschickt ich bin … Es müsste irgendwie wieder hineingeklebt werden, nicht dass er merkt, dass jemand das Heft in der Hand gehabt hat. Meinst du nicht? Nicht, dass es am Ende zu Schwierigkeiten kommt …“
    Sie drückte mir den Zettel in die Hand.
    „Hast du das Bild gesehen? Also das ist ja schauerlich! Wieso trägt jemand solche Bilder bei sich?“
    „Es ist eine Zeitschrift.“
    „Aber sie war gerade dort geöffnet“, sagte sie. „Bei diesem … pass auf, gut? Es gibt neuerdings diese Satanisten … Nicht, dass du in solche Kreise gerätst.“
    Mein Grinsen zeugte von der unsäglichen Überlegenheit eines Menschen, der über Satanismus völlig Bescheid weiß. Es war das Grinsen eines erwachsenen Jungen gegenüber seiner Mutter.
    „Den Satan kannst du ruhig mir überlassen.“
    Sie nickte. Das hatte sie von mir erwartet. Wir waren beide moderne Menschen, weshalb sie mir den Satan ruhig überlassen konnte. In Wirklichkeit überließ sie ihn mir nie. Sie hatte immer ein wachsames Auge auf ihn. Man kann ja nie wissen. Außerdem war es ihre mütterliche Pflicht. Sie behält ihn heute noch im Auge.
    „Schon gut“, sagte sie und lächelte. „Versuch trotzdem, es irgendwie heimlich zurückzukleben. Zum Beispiel, wenn er auf die Toilette geht und seine Tasche dalässt. Geht er zum Ball?“
    „Ja.“
    „Na, dann mach es, wenn er auf die Toilette geht. Kleb es schnell zurück. Nimm eine Rolle Tesafilm mit.“
    Später, als sie Gewissheit darüber hatte, dass Gábor kein Satanist war, entspannte sie sich, was ihn betraf. Eines Tages gestand sie sogar, dass sie in jener Nacht heimlich in mein Zimmer gekommen war und das Bajonett mit hinausgenommen hatte. Früh am Morgen schmuggelte sie es dann zurück. Da legte sie auch den Schokonikolaus in meinen Schuh. Den Zettel hatte sie auch zurückkleben wollen, aber Gábor hatte seine Tasche unterm Kopf liegen.
    „Ich konnte einfach nicht schlafen“, sagte sie und lachte über sich selbst, „der Gedanke, dass du mit ihm und dem großen Messer in einem Zimmer schläfst, machte mich ganz wuschig. Sie sind mir doch nicht böse, Gábor?“
    Gábor schüttelte lachend den Kopf.
    Das geschah jedoch viele Jahre später, lange nach Vaters Tod, beim Abendessen nach unserer Trauung. Jetzt war Mutter noch besorgt.
    „Du kommst bestimmt erst morgen früh, nicht?“
    „Ja.“
    „Pass auf dich auf. Und pass mit dem Messer auf.“
    „Es ist ein Bajonett, Mutter.“
    Ich passte auf mich auf. Ich ließ meinen geheimen Plan, nicht zurückzugehen, fallen. Ich duschte, wechselte die Sachen, zog das Geschenk meiner Schwestern, das schöne weiße Hemd, an, Gerda kam aus ihrem Zimmer, betrachtete mich, Balázs begutachtete mich ebenfalls, Vater und Mutter sagten, ich solle wenigstens den obersten Knopf aufmachen, denn so trugen nur alte Bauern ihre Hemden, Gerda und ich sahen uns an, „Stell dich geschickt an“, sagte sie, und ich ging zurück zum Ball.
    Als ich hinausging, drückte mir Mutter noch heimlich den Tesafilm und die Schere in die Hand, für alle Fälle.
    Der Ball war schon in vollem Gange, als ich ankam. Obgleich er nur entfernt an einen Ball erinnerte. Es waren die fünfzig bis sechzig Gesichter da, die bei

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