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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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diesen Blödsinn? Das hat ihm bestimmt seine Mutter eingeredet. Aus Angst, dass du dich von Tibi trennen willst. Und du warst vorhin so barsch zu ihm“, fuhr sie an Vater gewandt fort. „Es war sogar im Wohnzimmer zu hören, wie du ihn nach Hause geschickt hast, um den Wagen zu holen.“
    „Und? Nicht einmal das hat ihn abgeschreckt“, erwiderte Vater.
    „Was fressen die bloß an mir?“, sagte Erika und lachte. Sie war stolz darauf, den Jungen zu gefallen.
    „Hast du ihm gesagt, dass du ihn liebst?“, fragte Gerda.
    „Sicher, dass du ihm nichts versprochen hast?“, fragte Vater.
    „Nie im Leben. Wie oft soll ich das noch sagen?“
    „Na ja, irgendwie wird es schon werden“, beruhigte uns Mutter.
    „Was soll ich ihm nun sagen?“, fragte Vater Erika. „Du willst ihn nicht heiraten. Darf ich das sagen? Darf ich oder darf ich nicht?“
    „Ja, aber nicht so.“
    „Wie dann? Soll ich es sagen oder nicht?“, fragte Vater gereizt. „Oder sagst du es?“
    „Sag du es … Aber irgendwie schonungsvoller.“
    „Sagt ihr es ihm doch“, sagte Vater. „Die Schonung geht mir auf die Nerven.“
    Wir kamen zu keinem Schluss, als wir jedoch wieder in der Küche waren, ließ sich die Sache erstaunlich leicht lösen.
    „Wir werden darauf zurückkommen, Tibi“, sagte Vater und machte sich fertig, um zur Arbeit zu gehen. Vadda traute sich nicht, die Ringe noch einmal hervorzuholen. Er wartete ein halbes Jahr, kam dann mit eigenen Verlobungsringen und steckte Erika den kleineren an den Finger. Später gab ihm Erika den Ring zurück, noch später ließ sie ihn sich wieder aufstecken. Aber einen Vorteil hatte die Verschiebung der Verlobung für Vadda an diesem Abend: Vater drückte ausnahmsweise ein Auge zu, als Erika nun doch ohne Begleiter mit ihm wegfuhr.
    Und Vater ging zu Arbeit.
    Unterwegs hielt er an der Telefonzelle neben der Bushaltestelle. Er rief Onkel Lajos an. Während des Gesprächs qualmte er die Telefonzelle voll. So war es leichter, den Geruch des Hörers – des öffentlichsten Telefonhörers von Nyék – zu ertragen. Auf diesem befanden sich die Speichelablagerungen eines gesamten Dorfes, er hatte schon seit Langem einen eigenen Atem. Den ganzen Tag über standen die mürrischen Einwohner Nyéks vor der Telefonzelle Schlange, in der einen Hand hielten sie kleine Zettel mit rasch dahingekritzelten Nummern, in der anderen eine brennende
Kossuth
oder
Symphonia
, die Telefonzelle war ein 1 x 1 x 2 m großer Qualmquader, der den gerade an die Reihe Kommenden verschluckte, und der eine Minute später jedoch bereits von einem Klopfen ermahnt wurde: Hey, hey, andere wollen auch noch telefonieren. Morgens war der Geruch nur noch leicht zu vernehmen, aber im Laufe des Vormittags erwärmte sich der Hörer und roch nach Bier, Schnaps und sich zersetzendem Eiweiß. Aus ihm hauchte dem Anrufer Nyék selbst entgegen, Nyék, die Großgemeinde, die Schlafstadt. Gegen Abend kühlte der Hörer wieder ab.
    Abends war die Telefonzelle schön. Neben ihr stand eine Straßenlampe, die den Zigarettenrauch mit bläulich weißem Neonlicht beleuchtete.
    Die Telefonzelle wurde immer blauer und blauer im Laufe der Nacht. Mitten in diesem märchenhaften blauen Quader stand Vater mit dem Telefonhörer in der Hand. Hin und wieder öffnete er die Tür und ließ ein wenig Blau hinaus.
    „Lajos, sei so nett und verrate mir, was für Andeutungen du dem Jungen gegenüber heute Nachmittag gemacht hast.“
    „Ich habe keine Andeutungen gemacht. Worauf willst du hinaus?“
    „Das weißt du ganz genau.“
    „Wenn du die Donau meinst, das ist kein Telefonthema“, erwiderte Onkel Lajos wütend, aber dann unterhielten sie sich doch eine ganze Weile. Vater kam sogar zu spät zur Arbeit, bekam jedoch keinen Ärger.
    „Ich habe dir schon mal von Lévis Sohn erzählt, oder?“
    „Der im Paradies gewesen ist? Ja, hast du. Aber was hat das damit zu tun?“
    „Das werde ich jetzt nicht ausführlich erläutern, versuche, dich daran zu erinnern. Du hast dem Jungen gegenüber heute die
Elysischen Gefilde
erwähnt. Das ist fast das Gleiche. Es ist mein Thema.“
    „Ach so, ich verstehe“, sagte Onkel Lajos. „Deshalb bist du verschnupft. Warum hast du denn nichts gesagt?“
    Das war ein alter Streitgegenstand zwischen ihnen. Er stammte noch aus der Zeit unserer Großeltern und es ging um die Aufteilung der Welt. Kurz gesagt darum, dass Großvater die Welt noch allein in der Hand gehalten hatte. Er hielt Großmutter auch regelmäßig kleine

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