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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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begabt ich sei, aber ich wusste, dass sie nur Mitleid für mich und keine große Meinung von mir hatte.
    Und jetzt, da ich tatsächlich nur an der Hochschule angenommen worden war, war sie endgültig von mir enttäuscht, was mich nicht überraschte, mir ging es ja genauso.
    Vater fand ich unterm Birnbaum, in der Zeitmaschine, die er baute. Er arbeitete, ich hörte es hämmern. Das war ein gutes Zeichen, denn er hatte die Konstruktion den ganzen Sommer über nicht angefasst. Gerda und ich dachten schon, er würde sich nie wieder damit befassen. Außer Mutter wusste niemand in der Familie, dass es sich um eine Zeitmaschine handelte, zumindest dachte Vater, wir wüssten es nicht, und Gerda und ich taten, als wüssten wir es wirklich nicht, weil wir befürchteten, er würde sich dafür schämen und die Arbeit daran aufgeben, wonach nichts mehr folgen könnte als sein Tod.
Die Maschine
– so nannten wir die Zeitmaschine, wenn wir zufällig darauf zu sprechen kamen. Manchmal auch
Vaters Maschine
. Aber was sollte man machen, wir sahen trotzdem die Zeitmaschine in ihr, Mutter ebenfalls, und auch Vater, wenn er sich eine Weile nicht mir ihr beschäftigte. Denn wenn er daran arbeitete, hasste er sie und glaubte nicht an sie.
    Dabei versuchten damals viele, eine Zeitmaschine zu bauen, sogar in Nyék gab es mehrere. Es waren alles ältere Männer, die es nicht an die große Glocke hängten, womit sie herumexperimentierten. Schließlich möchte niemand für einen Zeitmaschinenbauer gehalten werden. Damals war das Grundprinzip der Zeitreise nicht allgemein bekannt: Es wurde geheim gehalten, es war eines der größten Geheimnisse der Erde. Jeder gewöhnliche Mensch dachte, eine Zeitreise sei die wissenschaftliche Unmöglichkeit schlechthin. Natürlich gab es Großmächte, die diese Frage mit mehr oder weniger Erfolg erforschten, aber die einzige zurechnungsfähige Privatperson, die eine Zeitmaschine baute, war mein Vater. Er hatte nämlich das Grundprinzip herausbekommen und arbeitete von Anfang an danach. Seine Konstruktion war eigentlich gar keine Zeitmaschine, sondern eine Maschine, die die
Traumenergien
verstärkte und auf das Gehirn des Schlafenden zurückleitete. Sie brachte den in ihr Liegenden nicht in der Zeit nach vorne oder zurück, sondern schuf eine neue Welt für ihn. So eine Zeitmaschine zu bauen, war gar kein so verrücktes Unterfangen. Es war zwar hoffnungslos, aber nicht
mehr als hoffnungslos
. Schließlich sprach gar nicht so lange Zeit später schon die halbe Welt von virtuellen Realitäten, ja, lebte zum Teil sogar in diesen. All das half jedoch Vater dort unterm Birnbaum nichts.
    Er befürchtete, verrückt zu werden. Manchmal vergingen Monate, bis er wieder begann, an der Zeitmaschine zu arbeiten. Er lag nur auf dem Bett (damals bezog er bereits Invalidenrente), sah abends fern und starrte tagsüber die Decke an. Er hatte unter anderem den gesamten Sommer so verbracht. Es freute mich zu sehen, dass er an diesem Tag endlich wieder arbeitete.
    Horribile Dictu, der Kater, sonnte sich im Staub auf dem Boden und war mit der Rolle des sich im Staub sonnenden Katers offenbar vollkommen zufrieden.
    Ich klopfte an die Karosserie. Vater blickte heraus und kam in Verlegenheit, weil ich ihn hier antraf. Auch ich kam in Verlegenheit, befand es aber für besser, ihm zu verstehen zu geben, dass ich sah, was er machte.
    „Du arbeitest wohl?“, fragte ich erfreut. Er schüttelte den Kopf und winkte ab. Er hatte eine Handbewegung, mit der er alles ungültig machen konnte, eine ungeduldige, überlegene Geste, mit der er die äußeren Umstände mit einem Mal wegwischte. Wenn er wollte, konnte er damit einen Donner abmildern. Sogar sich selbst konnte er abwinken, wenn ihm zum Beispiel der Magen knurrte und das Knurren nicht in enger Verbindung mit dem Thema der Unterhaltung stand.
    „Nennen wir es mal so“, antwortete er widerwillig. „Aber schau jetzt nicht hinein, gut? Wenn ich darum bitten darf …“
    Er befürchtete, ich wäre enttäuscht, wenn ich es mir anschaute. Dass ich denken würde, er habe den gesamten Sommer lang vergebens gegrübelt. Ich befürchtete es auch.
    „Wie kommt es, dass du schon zu Hause bist? War nicht von einer Woche die Rede?“
    „Doch, ich fahre auch zurück. Aber Gerda meint, du würdest nichts essen, wenn sich niemand darum kümmert.“
    „Deshalb bist du nach Hause gekommen?“
    „Eigentlich schon …“
    „Das habe ich doch gestern Abend mit ihr besprochen. Sie hat mir wie einem

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