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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Ein Teil von ihm war sich bewusst, wie viel Unglück ihn erwartete, wenn er, was ziemlich wahrscheinlich war, zwar das eine, nicht aber das andere haben konnte, und trotzdem gelang es ihm, diesen Teil von dem Teil seines Bewusstseins abzukapseln, der Pläne machte.
    Bis zur Abreise aus London war er dermaßen mit öffentlicher Anerkennung überschwemmt worden, dass er eine Zeit lang seine Chronase-Komplextheorie in alle Ewigkeit dahinrollen und sich von Generation zu Generation vererben sah wie eine Gengruppe, wie ein virtuelles Kind. Aber Afrika beeindruckte ihn mit seiner Jugend und seiner Entschlossenheit. Er sah die tägliche Flut der Kinder in Uniform zur Schule und wieder nach Hause gehen und wollte daran Anteil haben. Durch Bec hätte er Tag und Nacht mit der Malaria konfrontiert sein müssen, doch er war seltsam blind für die Krankheit und den Hunger, die Grausamkeit des täglichen Existenzkampfs, den Stumpfsinn der Armut. Für Alex war Tansania ein blühendes Land. Aus dem fetten, verwöhnten, vergreisenden Norden nach Afrika zu kommen und Bec zu finden war, wie aus der Welt der Wissenschaftler auf Ritchies Party zu kommen und sie unter den Musikern zu finden. Sie war seine Führerin zwischen den Welten.
    Bec schlug die Augen auf, lächelte ihn an, streckte sich wie eine Katze und zog sich dabei mit den Füßen das Laken vom Körper. Sie sah, dass er an etwas dachte, die Stirn leicht gerunzelt wie im Begriff, ein Urteil zu fällen.
    Sie war verblüfft, wie sicher sie sich fühlte, und hatte Lust, ihr Wohlgefühl etwas anzukratzen, es auf die Probe zu stellen. »Lass mich raten«, sagte sie. »Du denkst gerade: ›Der Sex mit ihr hat mir so gut gefallen, dass ich es gleich noch mal mit einer anderen machen möchte, nur um sicherzugehen, dass sie die Beste ist.‹«
    Er lachte, aber die Nachdenklichkeit kam zurück.
    »Und wenn du und ich nun nicht mehr mit anderen schlafen würden?«, sagte Alex. »Im ganzen Leben nicht mehr?«
    Bec ließ sich den befremdlichen Gedanken in seiner Extremheit durch den Kopf gehen. Sie besann sich, wie befremdlich es war, dass er ihr befremdlich vorkam. Die meisten ihrer Freundinnen hatten ihren Partnern dieses Versprechen gegeben. Sie wurde nicht gern daran erinnert, dass sie ungewöhnlich war. Seit Joel, seit Papua-Neuguinea arbeitete sie länger als sonst jemand um sie herum, und wenn ihr danach zumute gewesen war, hatte sie den Sex mitgenommen, der sich geboten hatte; seit Val war der Sex weggefallen. Wenn der Impfstofftest demnächst beendet war, würde sie nach London zurückkehren: Würde sie dort wieder die Nächte im Labor verbringen? Sie hatte sich insgeheim verraten gefühlt, als ihre feministischen Freundinnen, gerade die glühendsten Verfechterinnen von Unabhängigkeit, Polyandrie, Selbstbestimmung, mit einem Mal kopfüber in die permanente, monogame Häuslichkeit gesprungen waren. Der Verrat war nicht, dass sie sprangen, sondern dass sie sich nie zu der Entscheidung bekannten, so als ob die Gründung eines gemeinsamen Hausstands ein außergewöhnlicher Zufall wäre, aus dem sie das Beste machten.
    Sie glitt mit der Hand über Alex’ Rückgrat, drückte den Zeigefinger leicht in jeden Wirbel, als ob sie einen nach dem anderen zählte. »Müsste ich dann deine Arbeit lesen?«, sagte sie. Die hypothetische Möglichkeit auch nur zu diskutieren kam ihr wie ein Schritt in Richtung Einwilligung vor.
    »Ach, das hast du noch nicht?« Er war enttäuscht.
    »Du kennst auch nicht die Namen sämtlicher Parasiten.«
    »Stell mich auf die Probe«, sagte Alex.
    »Was ist der berühmteste Parasit?«
    Alex hob den Kopf von Becs Brust. »Die Queen.«
    »Der Kuckuck«, sagte Bec. »Er legt einem anderen Vogel sein Ei ins Nest und kriegt die Kinderaufzucht umsonst. He, nicht aufhören, das ist schön.«
    Das Moskitonetz schwankte, als Alex sich aufsetzte und sie scharf ansah. Eine Seite seines Körpers wurde von den Sicherheitsscheinwerfern im Garten angeleuchtet, deren Licht durch die Jalousie drang. »Vielleicht hätten diese anderen Vögel sonst keine Küken«, sagte er.
    Eines der Dörfer, in die Alex als Helfer mitkam, war eine prosperierende, hässliche Ansammlung kubusförmiger Lehmziegelhäuser, an denen der fleckige weiße Putz abbröckelte. Als sie sich zum Schulhaus begaben, vergoldete die Abendsonne die Wangen der Dorfbewohner und reflektierte von den rostfreien Stellen der Dächer. Die Luft roch nach frisch angezündeter Holzkohle. Bec schaute über die Schulter und sah

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