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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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haben«, sagte er, und Bec gab keine Antwort.
    Ein dünner Gischtstreifen erschien in dem Dunst Richtung Sansibar. »Er hat mich angerufen, bevor ich gefahren bin«, sagte Alex. »Er sagte, er wolle mich unterstützen, es gebe nicht genug berühmte Wissenschaftler. Ich hatte das Gefühl, er wusste, dass ich dich besuchen fahre, ich kann mir nicht vorstellen, woher.« Beim Reden fiel ihm ein, dass Vals Zeitung den lautesten und hysterischsten Artikel über seine Befunde gebracht hatte; die übrigen Medien hatten daraus die Stichworte übernommen.
    »Hat er über mich gesprochen?«, fragte Bec.
    »Er hat dich als Freundin bezeichnet.«
    »Das ist vermutlich okay. Ich habe ihn schlecht behandelt, und zack«, sie schnalzte mit den Fingern, »sind bei ihm die Sicherungen durchgebrannt. Er hat nur noch Sentenzen abgelassen. Es stimmt, ich weiß nicht, wie man sich benimmt. Wer weiß das schon? Das heißt noch lange nicht, dass ich den Unterschied zwischen Richtig und Falsch nicht kenne. Mein Dad ist nicht in die Kirche gegangen und hat uns Gott nicht aufgedrängt, und trotzdem wusste er gut genug, wie man richtig handelt, um sich …« Sie wollte sagen, »sich umbringen zu lassen«, war aber noch nicht so weit, nicht einmal vor Alex.
    Die Fähre kam, ein Tragflächenboot ohne Außendeck. Von innen sahen sie durch die Fenster nichts als helles, diesiges Azurblau. Die Crew ließ auf dem kleinen Bildschirm vor den Sitzplätzen einen alten Sylvester-Stallone-Film laufen und stellte den Ton der Lautsprecheranlage ohrenbetäubend laut.
    Als Bec und Alex in Sansibar ausstiegen, wartete am Pier eine Menschenschlange auf die Rückfahrt nach Daressalam, und dazwischen tummelte sich eine Schar zierlicher, misshandelt aussehender Katzen mit räudigem Fell und fehlenden Augen. Während er auf die Wartenden zuging, betrachtete Alex die schimmelgeschwärzten Fassaden von Stone Town und stellte sich vor, ein Sklave zu sein, der zu Sultans Zeiten zum Verkauf hergebracht wurde. Da fasste Bec ihn am Ellbogen.
    »Der Mann da im grünen Polohemd!«, zischte sie. »Nicht hinschauen! Ich will nicht mit ihm reden. Er darf mich nicht sehen.«
    Alex riskierte einen flüchtigen Blick und tat sein Bestes, um die sich duckende Bec mit seinem Körper zu verdecken. Die Bedrohung ging von einem dickbäuchigen, kahl rasierten Europäer mit Sonnenbrille und Bart aus, der eine kleine Ledertasche über der Schulter hängen hatte und konzentriert auf ein iPad starrte. Er blickte auf.
    »Er guckt in unsere Richtung«, sagte Alex aus dem Mundwinkel. »Wenn du dich nicht so bescheuert bewegen würdest, hätte er dich nicht bemerkt.«
    »Mach, dass er wegguckt«, sagte Bec, die so vorgebeugt ging, dass ihr Oberkörper parallel zum Boden war.
    Ohne den Schritt zu verlangsamen, bückte sich Alex, hob eine der Katzen am Nacken auf und warf sie im flachen Bogen vor den bärtigen Mann. Das empört schreiende Tier flog durch die Luft, landete weich auf den Füßen, hockte sich auf die Hinterbeine und leckte sich ungerührt weiter zwischen den Beinen. Alex und Bec steuerten mit schnelleren Schritten auf den Kai zu, da hörten sie hinter sich eine Stimme rufen: »Rebecca? Dr. Shepherd?«, und fingen an zu laufen. Im Zotteltrab liefen sie in Stone Town ein, verfolgt von kleinen Jungen, die Getränke und Rosen und Stadtführungen feilhielten. Bec blieb in einer Gasse neben einer alten Holztür mit Messingziernägeln stehen und lehnte sich an die Wand.
    »Er hat mich erkannt«, sagte sie über dem Lärm der Straßenjungen, die nach ihren Unterarmen griffen und ihnen mit chinesischen Waren vor dem Gesicht herumfuchtelten.
    »Ich bin sicher, es wird nicht die Hauptmeldung in den Abendnachrichten von Sansibar sein.«
    »Ich habe erst gemerkt, wie still es war, als du die Katze geworfen hast.«
    Ein Stück weiter fanden sie ein zum Hotel umgebautes Kaufmannshaus und setzten sich mit einem Bier in den Schatten der Hofarkaden. Ein winziger Brunnen spie und plätscherte in der Mitte des Hofs, und alle paar Minuten strich der lichte Schatten eines Taubenschwarms über den besonnten Bereich.
    »Sein Name tut nichts zur Sache«, sagte Bec, als Alex fragte, vor wem sie davongelaufen waren. »Er ist vom Karolinska-Institut. Ein Gespräch mit ihm hätte ich nicht ertragen. Er war einer der Forscher, die verhindert haben, dass ich mein Vorhaben mit H. gregi in die Tat umsetze.«
    »Verhindert?«
    »Du weißt, was ich meine. Er ist in Zeitschriften dagegen Sturm gelaufen, auf Konferenzen.

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