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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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auseinander und mimte jemanden, der hinausschaute. »Diese Frau ist anders. Sie denkt wirklich offen. Und echte geistige Offenheit ist beängstigend.«
    Bec lächelte. »Du meinst, diese Frau kennt keine Grenzen.«
    »Die kennt sie bestimmt. Aber ich glaube, sie verlässt sich nicht darauf, es sei denn, sie hat sie selbst gesetzt und erprobt.«
    »Wie du sie darstellst, ist diese Frau eine, die sich eine Bahn durch die Wildnis ihres eigenen Gehirns bricht.« Sie lachte.
    »Du scheinst sie zu kennen«, sagte er.
    Bec wollte sagen, dass Alex sah, was er sehen wollte, aber sie zögerte. Weniger, weil es nett war, was er über sie sagte, als weil es ihr gefiel, dass er eine Vorstellung auf sie übertragen wollte, die er sich gebildet hatte. Alex nutzte diesen Moment, um sich vorzubeugen und sie zu küssen, und sie erwiderte den Kuss, und bevor sie von einem der Fahrer unterbrochen wurden, der fragen kam, ob sie das Auto brauchten, wurden die Grillen eine Zeit lang vom Knirschen Hunderter geflochtener Rohrstängel übertönt.
    Sie gingen aus und betranken sich ein wenig, und Bec erklärte ihm, wie wenig Zeit sie nach dieser Nacht für ihn erübrigen könne. »Ich bin fast fertig, aber hier und da flattern noch Fransen«, sagte sie. »Ich dachte, du könntest auf eine Safari gehen. Ich weiß nicht, ob du dich für Löwen interessierst.«
    »Blasierte Viecher«, sagte Alex. »Selbstgefällig.«
    »Es gibt Zebras.«
    »Zu retro, zu Achtzigerjahre.«
    »Leoparden.«
    »Leoparden sind klüngelig. Könnte ich nicht mit dir mitkommen? Ich könnte dein unbezahlter Praktikant sein. Meine Stärken liegen mehr in der Theorie als in der Praxis. Aber vielleicht interessieren sie sich ja da draußen auf dem Land für Quantentheorie und Proteinfaltung.«
    »Wir könnten dich vermutlich irgendwo reinquetschen«, sagte Bec. »Dr. Katanga braucht einen Hiwi.«
    Später fuhren sie die Küste hinauf und gingen an einem stillen Strand spazieren. Die wenigen versprengten weißen Lichter landeinwärts schienen nichts mit menschlichem Leben zu tun zu haben. Ihre Füße sanken leicht im feuchten Sand ein, und die Dunkelheit über dem Meer war warm, makellos. Bec schnitt sich den nackten Fuß an einer weißen Muschel und blutete und legte Alex die Hand auf die Schulter, damit er ihr das Gewicht abnahm und sie sich humpelnd und hüpfend fortbewegen konnte. Sie legte sich lachend in den Sand, und er leckte ihr das Blut vom Fuß und spuckte die Sandkörner aus. Sie spazierten durch die Dunkelheit, und das Wasser schwappte um ihre Knöchel, und Bec zog die Luft ein und sagte, es tue weh. Weiter draußen in der Dünung hob und senkte sich ein einzelnes rotes Licht am Mast eines Fischerbootes, und sie hörten das ferne Tuckern des alten Motors. Sie beobachteten das Auf und Ab des Lichts, ein Rhythmus in der Leere.
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte Bec.
    Nach ihrer ersten Nacht zusammen fiel Bec ein seltsames Zeitempfinden auf, bei dem ihre Erinnerung in zwei Teile zerfiel: in die Erinnerung an das, was geschehen war, und das, was es bedeutete. Sie erinnerte sich an Einzelheiten. Sie erinnerte sich an seine Augen, die Wallung in ihrer Brust, seine Lippen, weicher, als sie aussahen, seine Rückenmuskeln, wie sie sich unter ihrer Hand streckten, seine Fingerspitzen, den Augenblick, als er in sie hineinstieß, ihr Luftschnappen, ihr Lachen, als sie kam, einige der Sachen, die er sagte. Nichts davon war die Erinnerung an das, was es bedeutete: den Anbruch einer Zeit, in der sie für immer mit Alex zusammen sein würde, wenn sie nichts dagegen tat.
    Eines Nachts sprang im Hof draußen vor der Villa der Generator an. Alex drehte den Kopf und sah, dass Bec neben ihm schlief. Ihre Lippen bewegten sich, und sie flüsterte leise, so leise, dass er nichts verstand und nur den dunklen Saum von Dingen ahnte, die er nicht kannte, und von Erfahrungen, die er nicht teilen konnte, weil sie schon geschehen waren. Ihr Flüstern musste demselben Quell entsteigen wie das in den Nadelstichen an den Fingerspitzen getrocknete Blut, die Narben an ihrem Handgelenk und die mikroskopisch kleinen Wesen in ihren Adern, denen gegenüber er eine komische Rivalität empfand. Wenn glücklich sein hieß, dass man Glück hatte, wie Harry sagte, dann war sein Glück so fest mit der Frau neben ihm verwachsen, dass er sich nicht vorstellen konnte, jemals wieder Glück zu haben, wenn er sie jetzt verlor.
    Er wollte mit ihr zusammenbleiben, und er wollte ein Kind mit ihr haben.

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