Liebe und andere Parasiten
Diese Stadt ist voll von alleinstehenden Frauen.«
»Das weiß ich selber. Du bist ein gutes, großherziges Mädel. Du würdest mir jede Frau auf der Welt gönnen, nur nicht dich.«
»Wenn du so redest, musst du gehen.«
»Aye«, sagte Dougie und legte den Kopf in die verschränkten Arme.
»Kopf hoch!«, sagte Bec. Dougie gehorchte. »Wenn du versprichst, nie wieder auch nur daran zu denken, mich so anzumachen, kannst du hierbleiben, und ich werde Alex nichts sagen. Kannst du mir das versprechen?«
»Gefällt mir nicht, wenn du meinetwegen ein Geheimnis vor Alex hast«, sagte Dougie.
»Mir gefällt es auch nicht. Vielleicht benimmst du dich ja besser, wenn du es auf dem Gewissen hast. Was meinst du? Verspricht du es?«
»Aye«, sagte Dougie.
Bec ging nach oben, zog sich aus und stieg zu Alex ins Bett. Als sie sich an ihn schmiegte, wurde er wach und sagte »Hallo«. Bec fuhr mit den Fingern über seine Brust, über seinen Bauch und wie ziellos weiter nach unten. Sein Schwanz war schon hart, als sie ihn berührte; er zuckte leicht.
»Wie wär’s, wenn wir uns eine Weile nicht mehr betrinken?«, sagte sie.
52
Alex fand keinen triftigen Grund für das Unbehagen, das ihm Dougies Anwesenheit im Haus bereitete. Alles, worauf er kam, konnte es nicht sein. Nichts, was er sich denken konnte, führte weiter. Wenn es als natürlich galt, dass man sich unbehaglich dabei fühlte, unter einem Dach mit seinem Bruder zu leben, dessen Verhalten verantwortungslos war und der einem einen Haufen Geld schuldete, das er nie würde zurückzahlen können, so vermutete Alex doch, dass es überhaupt nicht natürlich war; es war auch einmal natürlich gewesen, Diebe zu hängen, Frauen zu schlagen, Atheisten zu töten, behindert geborene Kinder zu ersticken und Homosexuelle zu diskriminieren. Er betrachtete Dougie mittlerweile als einen Menschen, der die besondere Gabe hatte, immer wieder verziehen zu bekommen. Einen Teil des Hauses einem Mann zu überlassen, den er gar nicht dahaben wollte, kam Alex wie die Buße vor, die er dafür leistete, dass er das Erbe überhaupt angenommen hatte, und er erinnerte sich, wie viel Zeit Harry in Brechin verbracht hatte, als er noch ein Kind gewesen war.
Als Matthew die Besitztümer seines Vaters aus dem Haus ausräumte, war er Alex gegenüber kühl und gelassen gewesen. Alex hatte gesagt, es tue ihm leid, Harry habe einen Fehler gemacht.
»Dad hat getan, was er tun wollte. Er hat seinen Wunsch verwirklicht«, sagte Matthew.
Alex sagte sich, dass er und Bec das Haus nur für ein oder zwei Semester übernehmen würden. Die Tatsache, dass es noch einen dritten Bewohner gab, ließ den Schritt provisorischer erscheinen. Er wollte das Haus nicht mit neuem Besitz anfüllen. Die Stadt außerhalb seiner Mauern wirkte überfüllt, und wenn er nach Hause kam, war ihm, als beträte er eine Lichtung in einem verwucherten Wald, einen Fleck, der offen, hell und sicher war. Nach wenigen Tagen hatte jeder der fast kahlen Räume seine Eigenheiten gewonnen, was weniger mit ihrer Größe und Form zu tun hatte als mit den Momenten seines Zusammenseins mit Bec, die ihm im Gegensatz zu anderen präsent blieben.
Die unvorhersehbare Beständigkeit bestimmter Momente verblüffte ihn. Das Wunder lag nicht im Vorgang der Erinnerung, sondern darin, wie das Vergessene ins Nichts stürzte und sich opferte, um dem Erinnerten seine Gestalt zu geben.
Becs optimistische Annahme, ihr und Alex würde es gelingen, ein Kind zu zeugen, obwohl er und Maria das nicht vermocht hatten, war so unerschütterlich und vor jeder Überlegung, dass sie gar nicht mehr optimistisch erschien. Ohne darüber zu reden, kamen sie überein, ihre Bedenken beiseitezuschieben.
Auf der Rückseite des Hauses befand sich auf Gartenniveau eine telefonzellengroße Kammer, zugänglich durch eine Außentür, wo Harry die Siebensachen eines widerstrebenden Stadtgärtners aufbewahrt hatte: Rosenscheren, einen Rasentrimmer, diverse Flaschen mit Giften. Alex nahm an, dass Matthew sie leer gemacht und dann abgeschlossen hatte. Als es Frühling wurde und das Unkraut im Garten zu sprießen begann, fand Alex den dicken alten Schlüssel und ging nachschauen, ob sich Werkzeuge darin befanden. Die Borde und Haken waren leer. Am Fußboden standen ein Paar Gummistiefel und vier Paar Herrenschuhe. Alex erkannte die zweifarbigen Straßenschuhe wieder, die Harry in seinen letzten Monaten getragen hatte. Ein Grauen beschlich ihn beim Anblick der Schuhe. Die
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