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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Einstiegsöffnungen schienen ihn anzuplärren wie die weit aufgerissenen Mäuler einer Brut kleiner blinder Kreaturen, die nicht verstanden, dass der Mann, dessen füllende Füße sie erwarteten, niemals zurückkommen würde. Sie hatten die ganze Zeit im Dunkeln gewartet und nach Harry geschrien.
    Alex fragte sich, warum Matthew sie dagelassen hatte, und dabei fiel ihm ein, dass Sachen von ihm immer noch bei Maria standen beziehungsweise Sachen, die in gewissem Sinne ihnen beiden gehörten, für die aber Maria keine Verwendung hatte. Eine Schachtel mit Papieren, die bei dem bürokratisch-medizinischen Vorgang der Befruchtung anfielen, wenn Leute, bei denen es auf natürlichem Wege nicht klappte, es auf künstlichem versuchten. Eine Schachtel im untersten Regal eines Schranks im Obergeschoss, wenn er sich nicht irrte, auf dessen eine Seite Maria, ohne sentimental sein zu wollen, ohne sich vorzustellen, dass es je etwas anderes sein würde als die vernünftigste Beschriftung zur Identifizierung der Schachtel, »Baby« geschrieben hatte.
    Dougie hatte Alex einmal erzählt, dass Leute aus der Mittelschicht wie er und Maria, die Kinder wollten und keine bekamen, das Elternsein völlig unverhältnismäßig romantisierten. So hatte es sich Alex unbewusst übersetzt und abgespeichert. In Wirklichkeit hatte Dougie gesagt: »Hör auf, dir in den Arsch zu beißen von wegen Vater werden und so. Du kriegst so ein Männlein oder Weiblein, mit dem du ein Weilchen rumspielen kannst, und kaum schaust du hin, treibt sich da dieses überflüssige Wesen herum, das mit dir nicht viel zu tun haben will, aber es ist alles deine Schuld.«
    In dem Sommer wurde Rose siebzehn und zog von zu Hause aus. Niemand erzählte Alex und Bec die ganze oder dieselbe Geschichte, aber nach den Überschneidungen zwischen dem, was Matthew am Telefon sagte, was er in seiner großen Not sagte, als er nach London kam, um nach ihr zu schauen, was Alex’ Eltern ihnen erzählten und was Rose selbst sagte, als sie eines Sonntags mit ihrer leicht veränderten Kopfbedeckung vorbeischaute, begleitet von einem Beschützer aus der Madrasa in Whitechapel, wo Rose jetzt studierte, war Rose’ Auszug von daheim eher als Unabhängigkeitserklärung denn als radikaler Bruch gemeint gewesen und erst infolge eines ebenso verzweifelten wie vergeblichen Gewaltakts vonseiten Matthews endgültig geworden. Soweit Alex verstand, hatte Matthew sie nicht geschlagen. Er hatte sich damit abgefunden, dass er nach dem Gesetz nicht die Macht besaß, sie aufzuhalten. Offenbar hatte er auf der Schwelle des Hauses die Arme um seine Tochter geschlungen, sich geweigert, sie loszulassen, und sie so fest gedrückt, dass sie vor Angst aufgeschrien hatte, sie bekomme keine Luft. Matthew erschrak, und Rose entwand sich ihm und hielt sich beim Hinausgehen verstört den Hals.
    Rose wirkte entspannt und ihrer Sache sicher, als sie unangemeldet vor der Tür stand und fragte, ob sie bei ihnen auf dem Festnetz mit ihrer Familie telefonieren könne. Im Gespräch mit dem Begleiter, einem Londoner Bangladeschi der zweiten Generation, bekam Alex den Eindruck, dass nicht etwa die Koranschüler sich bemüht hatten, Rose zu rekrutieren oder gar zu indoktrinieren, sondern dass Rose sie aufgesucht und zu ihrer Verlegenheit die Aufnahme beantragt hatte.
    Rose und Bec hatten ein Gespräch unter vier Augen. Bec versprach Rose, ihr Geheimnis zu hüten, dass sie versucht hatte, bei der Familie ihres Freundes mit einzuziehen, dass aber seine Eltern, entsetzt darüber, dass ihr Sohn daran dachte, »eine Engländerin« zu heiraten, das abgelehnt hatten.
    Matthew und Lettie beschuldigten Alex und Bec, Rose’ Abfall vom Glauben zu unterstützen. Dougies Anwesenheit in dem Haus in Islington; die auffällige Kahlheit der Zimmer, die nach Matthews Ansicht eine schlechte und subversive Wirkung auf ein labiles Mädchen hatte; Alex’ Unvermögen, den Unterschied zwischen dem Islam und der Liebe zu Christus zu erkennen; und Becs Andeutung, Rose’ Handeln sei nicht von ihrem Glauben, sondern von Abenteuerlust motiviert, verstärkten noch ihr Verfolgungsgefühl.
    Alex begab sich mit Matthew in die Madrasa, und sie legten eine ziemliche Hartnäckigkeit an den Tag. Rose wollte sie nicht empfangen. Sie ließ ihrem Vater ausrichten, es gehe ihr gut, sie werde regelmäßig anrufen, sie werde zu Besuch kommen, wenn ihr Studium beendet war, und sie sollten sich keine Sorgen machen.
    Als Matthew abreiste, standen Alex und Bec auf der

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