Liebe und andere Parasiten
Stromstöße versetzte.
»Ziemlich lasche Durchsuchung«, sagte Ritchie. »Ich könnte ein halbes Kilo Koks im Arsch stecken haben, ohne dass sie was gemerkt hätten.«
»Ach, hast du das?«, sagte Midge. Er deutete auf eine glänzende schwarze Blase oben in der Ecke. »Wir werden überwacht.«
Ritchie starrte das Kameraauge an. »Mikros?«
»Wer weiß«, sagte Midge. »Die können hier doch machen, was sie wollen.« Er rieb gereizt über den Stoff seines Sitzpolsters. »Guck, selbst die Scheißsessel sind aus Sackleinen.«
»Warum hat er es gemacht?«, sagte Ritchie.
»Das kannst du ihn fragen«, sagte Midge. »Sie karren ihn in einem Wägelchen an.«
»Ich möchte, dass du es mir sagst.«
»Ich wüsste nicht, warum das Warum wichtig sein sollte. Das interessiert doch am wenigsten. Die BBC ist im Anmarsch. Irgendeine, von der ich noch nie was gehört habe.« Midge schloss die Augen und lehnte sich zurück. »Die Malocher, nicht wahr, die meckern doch immer über diese nichtsnutzigen Bürotypen beim Sender, die Geld wie Heu verdienen und nichts dafür tun müssen. Dabei ist das, was sie tun, wichtiger als alles andere, es muss nur nicht oft getan werden. Sie sind die Antikörper. Sie treten nur in Aktion, wenn es für den Organismus um Leben und Tod geht.«
»Du erinnerst mich an meine Schwester.«
»Warum hast du dann das Gesicht verzogen?«
»Hab ich nicht.«
»Hast du doch. Du hast gesagt: ›Du erinnerst mich an meine Schwester‹, und hast dabei eine Grimasse geschnitten, als ob deine Schwester schlechte Medizin wäre. Ich dachte eher, sie wäre gute Medizin, wenn einer zu viel von Mücken geplagt wird.« Midge schluckte, als wollte er etwas hinunterwürgen, was ihm hochkam. »Szenario. Lazz tut Buße. Er wird sauber. Er verschwindet ein Weilchen aus der Öffentlichkeit, aber macht klar, dass er gesund lebt, positiv. Er zeigt sich in Interviews reifer und klüger. Er kehrt zu seiner Frau zurück.«
»Zu seiner Frau!«
»Könnte doch sein. Du weißt, wie sehr er seinen Beruf liebt.«
»Warum hat er es gemacht? Warum ist er an die Öffentlichkeit gegangen? Weil er den Anruf erhalten hat?«
»Welchen Anruf?«
»Du weißt, was ich meine. Die MF .«
»Frag ihn selber.«
»Hast du den Anruf bekommen?« Ritchie beugte sich vor und sprach leiser.
»Und du?«, sagte Midge.
Ritchie gab keine Antwort. Midge starrte ihn provozierend an. Sie senkten die Köpfe.
Es klopfte leise, und die Tür ging auf. Die Angeln gaben ein lang gezogenes, fragendes Quietschen von sich. Lazz stand in der Tür. Ritchie und Midge erhoben sich und traten auf ihn zu, als erwarteten sie, dass man sich umarmen würde. Sie hielten inne, als sie sahen, dass Lazz ihnen nicht entgegenkam. Er wich leicht zurück. Ein paar Meter hinter ihm im Gang wartete ein Pfleger in einem weißen, kurzärmeligen Kittel, der den Blick auf haarige Unterarme und eine dicke goldene Armbanduhr frei gab. Ritchie hatte den Eindruck, dass Lazz noch nie gesünder oder besser ausgesehen hatte. Er strotzte vor überschüssiger Jugend und Leben. Ein ungewohnt nachlässiges Aussehen – Bartstoppeln, ungekämmte Haare – stand im Kontrast zu seiner von Natur glatten, dunklen Haut und seinen klaren braunen Augen, die jetzt mit großer Intensität in die von Ritchie schauten. Ritchie fühlte den Pulsschlag einer vagen zukünftigen Belohnung, dasselbe Pulsieren, dessentwegen er Lazz schon beim ersten Vorsprechen hatte haben wollen und die jährliche Vertragssumme höher angesetzt hatte, als nötig gewesen wäre, trotz seiner Koller, seiner Kälte, seines Egoismus, seines Zwangsverhaltens in der Garderobe und seiner Unfähigkeit, irgendetwas außergewöhnlich gut zu machen. Jetzt hingegen kam Ritchie sich vor, wie sich vermutlich einer aus der Konsumentenherde vorkam, wenn er Lazz begegnete: als ob er ein Wunderwesen störte, das nichts anderes will, als allein mit dem Heiligen Geist Zwiesprache zu halten, der in der Kamera wohnt.
»Tut mir leid, Ritchie«, sagte Lazz. »Ich habe die Leute enttäuscht. Danke, dass du gekommen bist.«
»Keine Sorge, Lazz«, sagte Ritchie. Er blinzelte. Er fühlte die Tränen kommen und schwankte zwischen Loslassen und Zurückhalten. Er unterdrückte sie. »Das Wichtigste ist, dass du wieder auf die Reihe kommst.«
»Wenn es für mich einen Weg zurück gäbe, wäre das schön«, sagte Lazz.
»Darüber reden wir, wenn du wieder gesund bist.«
»Ich bin nicht krank«, sagte Lazz. »Ich bin auf Entzug.«
»Ich weiß«, sagte
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