Liebe und andere Parasiten
einmal. Oder sie verlor das Interesse und schrie, sie wolle nicht spielen.
Ritchie schlug das Herz höher, wenn er zusah, wie die Finger seiner Tochter sich streckten, um die Griffleiste zu überspannen und die straffen Nylonsaiten zu drücken, wie ihr Kopf auf und ab ging und ihre Haare über dem Schallkasten schlenkerten. Manchmal machte sie einen kleinen Fehler, schaute ihn an und grinste kameradschaftlich; ihre Augen blickten dann mit einem Verständnis in seine, das zeitlos war, als ob alle Lebensphasen, die sie durchlaufen würde, bereits in ihr enthalten wären und nur darauf warteten, sich zu entfalten: Kind, Freundin, Gefährtin im Abenteuer, Liebende, Mutter, Großmutter. Ritchie wünschte, der Moment möge ewig dauern, aber er war nie vorherzusehen, und wenn er eintrat, waren sein Stolz und seine Besitzgier zu offensichtlich, und das Wohlgefühl dieses sicheren, zeitlosen Bandes verging.
Bec und Alex gaben eine Party, um ihren Einzug zu feiern. Ritchie dachte, er könnte sich davor drücken, aber Alex bearbeitete ihn mit E-Mails und einem Anruf, und so sagte er für sich und Karin zu. Zwei Tage vor der Party teilte Karin ihm mit, dass sie nicht konnte. The What wollten kommen, um eine Woche lang mit ihr im Studio zu proben. Sie konnte nicht weg. Ritchie hatte die Band für zu gut und ihm gegenüber zu respektlos befunden, um sie in Teen Makeover auftreten zu lassen, und damit sie deswegen keinen Krach schlugen, hatte Ritchie sie mit Karin kurzgeschlossen. Sie hatte die Jungs bei einem kleinen Auftritt in Portsmouth spielen sehen, und ihr Sound hatte ihr ebenso gefallen wie die Tatsache, dass sie sie als Nationalheiligtum behandelten. Ritchie fragte, ob es nicht schlecht für ihr Image sei, mit einem Trupp Fünfzehnjähriger zu arbeiten, und Karin antwortete, inzwischen seien sie sechzehn.
»Sie bringen Zelte mit«, sagte sie. »Im Studioblock gibt’s eine Dusche. Mir war klar, dass du sie nicht im Haus haben willst.«
»Sie dürfen keine Drogen nehmen«, sagte Ritchie.
Er kam um neun auf die Party. Die Fenster waren erleuchtet, und die Tür stand offen. Ein Mädchen in kurzem schwarzem Kleid und ein magerer Mann mit Schnurrbart und Koteletten rauchten und tranken Wein auf der Treppe. Sie beachteten Ritchie nicht, als er zwischen ihnen hindurch ins Haus ging.
Es waren so viele Menschen da, und Bec und Alex hatten so geschickt Lampen aufgestellt, in Ecken, in Kaminen, die die Decken anstrahlten oder überlappende Lichthöfe auf den Boden warfen, dass Ritchie anfangs gar nicht bemerkte, wie wenig Möbel es gab und wie kahl die Wände waren. Auf einer Etage wurde getanzt, auf einer anderen gab es Polster und Paravents und ruhigere Musik, in der Küche führten intelligent aussehende Männer und Frauen in einzelnen Grüppchen heftige Diskussionen, und Ritchie war, als wohnte er den Debatten eines mondänen Parlaments bei. Die Gäste waren besser gekleidet, als er erwartet hatte, zeigten in ihrer Garderobe mehr Einfallsreichtum und Eleganz, als er Wissenschaftlern nach Feierabend zugetraut hätte. Es war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, dass Bec und Alex Freunde haben könnten, die keine Wissenschaftler waren. Der Wein war vorzüglich; er musste ein Vermögen gekostet haben, dachte er. Der erste Eindruck, den Ritchie hatte, wenn er ein Zimmer betrat, bevor er anfing, einzelne Personen wahrzunehmen, war eine Masse von Leuten, die selbstsicher, überlegt und offen waren. In einer solchen Menschenansammlung war er noch nie gewesen, und die Eifersucht, die so schnell bei ihm kam, schoss auf. Ein unverschämtes Glück, dachte er, dass Bec und Alex einfach in dieses Stadthaus gestolpert waren und dort auf einmal einen Salon unterhielten, ohne jede Anstrengung! Er dagegen war als Familienvater in der Pampa gelandet! Wie hatte das geschehen können? Er war der Reiche. Er war der Prominente. Wer waren diese Leute? Wer war das unglaublich hübsche junge Mädchen dort, und warum trug sie ein muslimisches Kopftuch, wo sie doch offensichtlich weiß war? Wer war der sonnengebräunte Typ mit dem breiten Kreuz, den schulterlangen blonden Haaren und dem irren Blick?
Er sah Alex und Bec auf der anderen Seite des Zimmers dicht nebeneinanderstehen, als ob sie gerade geheiratet hätten, Alex mit dem Arm um Becs Taille. Sie lachten mit jemandem; sie schienen von unendlicher Freude erfüllt zu sein. Bec trug ein tief ausgeschnittenes, rückenfreies Kleid mit Nackenträger, und das Licht funkelte auf einem silbernen Halsband
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