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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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und silbernen Kettchen in ihren Ohren, die baumelten, wenn sie den Kopf bewegte. Alex hatte ein schlichtes weißes Hemd an, und es kam Ritchie so vor, als ob alle im Raum sich ihnen zuneigten wie Fotografen hinter der Absperrung am roten Teppich.
    Eine Frau hinter ihm fragte, ob sie ihm nachschenken solle. Sie hielt eine Flasche in der Hand, und Ritchies Glas war leer. Sie goss ihm voll. Sie wirkte beschwipst.
    »Ich muss noch fahren«, sagte Ritchie.
    »Ich auch«, sagte die Frau, lachte und berührte ihn am Unterarm. »Gott, sieht sie nicht umwerfend aus? Ich hasse sie.«
    »Wen?«
    »Bec«, sagte die Frau und starrte mit schmalen Augen durch den Raum. Sie wandte sich wieder Ritchie zu und lächelte. »Ich liebe sie. Im Studium waren wir mal die besten Freundinnen. Du weißt schon, Freunde fürs Leben und so. Es ist nie fürs Leben, nicht wahr? Wir haben schon lange nichts mehr voneinander gehört.«
    Ritchie sah die Frau an und überlegte, ob er sie kannte. Er wollte gern unerkannt bleiben und erst bei Gelegenheit seine wahre Identität offenbaren.
    »Warst du je bei ihr zu Hause?«, sagte er.
    »Nein«, sagte die Frau. »Wir sind mal übers Wochenende zusammen nach London gefahren. Ihr Bruder war ein Popstar. Er spielte in einer Band, die sich The Lazygods nannte. Ich weiß nicht, ob du dich noch an die erinnerst.«
    »Vage.«
    »Wir sind zu einem Konzert von denen im Hammersmith Palais gegangen. Sie haben ganz okay gespielt. Das heißt, die Frau war gut, aber ihr Bruder war ein bisschen …« Sie blickte sich um, legte Ritchie die Hand auf den Arm und beugte sich vor. »Es war komisch. Ich musste Bec damals versprechen, es nie jemandem zu verraten, aber es ist schon so lange her. Sie hatte einen Bühnenpass, und sie ging ihren Bruder suchen und kam dabei in diese Garderobe, und da saßen David Bowie und Bono! Sie hatten auch gespielt, es war so was wie ein Benefizkonzert. Und sie hörte, wie einer von den beiden, ich glaube, es war Bowie, gesagt hat: ›Dieser Ritchie Shepherd, der singt wie ein Hund, der ins Haus gelassen werden will.‹ Und Bono hat gelacht.«
    Ritchie drehte sich zu Bec um. Sie sah ihn und winkte, und er ging steif zu ihr hinüber. Das Blut dröhnte ihm in den Ohren. Alex klopfte ihm auf die Schulter, und Bec küsste ihn auf beide Wangen. Er roch ihr Parfüm und hörte sie fragen, ob es ihm gut gehe.
    »Du siehst aus, als wärst du mit den Gedanken woanders«, sagte sie.
    »Bin ganz hin und weg«, sagte Ritchie. »Tolle Party.«
    »Wart mal«, sagte Bec. »Ich habe eine Überraschung für dich.«
    »Wir passen aufeinander auf«, sagte Alex zu Ritchie und blickte Bec hinterher. »Betrunkene Gastgeber sind das Letzte.«
    Wie ist es so weit gekommen, dass mein bescheuerter alter Drummer mit mir Vertraulichkeiten über meine Schwester austauscht?, dachte Ritchie. Ich bin in einer Welt fremdartiger neuer Strafen gelandet.
    »Guckst du dir je Wissenschaftssendungen an?«, fragte Alex. »Ich bin gefragt worden, ob ich bei einer moderieren mag.«
    »Warum auch nicht?«, sagte Ritchie mit zusammengebissenen Zähnen.
    Bec kehrte mit einem Stück Papier in der Hand zurück. Sie bat Ritchie mitzukommen und ging mit ihm auf den Flur.
    »’tschuldige, ich bin ein bisschen betrunken«, sagte sie. »Ich hatte vergessen, worum es geht. Dass es um Dad geht.« Sie standen dicht zusammen. Bec sah ihrem Bruder in die Augen. »Wusstest du, dass O’Donabháin vor Kurzem in Wales aus seinen Gedichten gelesen hat?«
    »Nein.«
    »Ich war da. Ich weiß, wie wichtig es dir ist, dass ich ihm vergebe. Ich weiß, es bedeutet dir mehr, als deinen Film zu machen.« Sie zögerte. Sie hatte den Eindruck, dass Ritchie über ihr Handeln ungemein erstaunt war. »Deshalb bin ich hingegangen, und ich denke, ich habe ihm vergeben, auf meine Art. Wir haben geredet. Hier. Das hat er auf das Titelblatt seines Buches geschrieben.«
    Sie gab Ritchie das Stück Papier.
    »Es ist gut so«, sagte Bec.
    »Ja«, sagte Ritchie mit Mühe. Er fühlte sich, als würde er gleich ersticken.
    »Es ist alles bereinigt mit ihm, und es wird keinen Film geben. Ein Schlussstrich, wie du gesagt hast.«
    Ritchie machte den Mund auf und wieder zu. Noch einmal.
    »’tschuldige«, sagte Bec, fing an zu weinen und legte die Arme um ihn. »Ich weiß nicht, warum ich dir das gerade jetzt auf der Party erzähle. Ich habe dich einfach gesehen und dran denken müssen. Ich sehe dich nicht oft genug.«
    Ritchie tat so, als erwiderte er die Umarmung, und blickte

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