Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
Vom Netzwerk:
den Bergen kampiert hatten, eine Mittagspause einlegten, ließ sie ihn wissen, er sei der unhöflichste Mensch, der ihr je begegnet war. Er lachte und meinte, er freue sich, dass sie ihn außergewöhnlich finde.
    »Warum ziehen Sie Ihr Hemd aus?«, fragte sie.
    »Es sind fast fünfunddreißig Grad. Ich brauche Vitamin D. Sie sollten Ihres auch ausziehen.« Die Haare auf Franz’ Rücken legten sich in flache Wellen wie Gerste im Wind.
    »Und was sind das jetzt für Vögel in der Squattersiedlung?«, fragte sie, mit gekreuzten Beinen im Gras sitzend. »Wussten Sie, dass die Squatter nie in die Klinik gehen?«
    »Weil sie kein Geld haben.« Franz legte sich auf die Seite, auf den Ellbogen gestützt, sodass sein dicker Bauch, halb straff, halb schlaff, nicht ganz bis zum Boden hing. Seine Brustbehaarung war stellenweise schneeweiß. »Herrje, ich will nicht über diese Scheißsquatter reden. Ich will was von Ihrer Malaria-Arbeit hören. Sex unter Parasiten. Wie suchen sich die weiblichen Gametozyten die Männchen aus, die sie haben wollen?«
    »Die sie nicht wollen, weisen die Weibchen ab«, sagte Bec.
    »Um sich frei zu halten für den Richtigen.«
    »Den Tüchtigen.«
    »Klingt irgendwie verklemmt. Mir gefällt besser, wie die Vogelweibchen es machen: Sie checken die Männchen aus, sehen, wer den Größten hat, nicht wahr, und den nehmen sie dann aufs Korn.«
    »Meinen Sie nicht, Vögel könnten an ihren Gespielen auf noch was anderes fliegen als die Größe der Schwanzfedern?«
    »Sie denken an das süße kleine Leierschwänzchen mit der großen Persönlichkeit, nicht wahr, das süße kleine Leierschwänzchen, vor dem Sie niemals auch nur das kleiiiinste bisschen Angst haben müssen. Und was Sie in Wirklichkeit wollen, ist vielleicht der große böse Leierschwanz, der Mordskerl, der Ihnen auf dem Balzplatz zeigt, was Sache ist.«
    »Vögel legen keine Treuegelöbnisse ab, um sie dann zu brechen.«
    »Was verstehen Sie denn von Vögeln?«
    »Genug, um zu wissen, dass wir von was anderem reden.« Sie schirmte sich mit der Hand die Augen ab und blickte zum Himmel auf. »Ich hoffe, Ruth hilft Ihrem Sohn aus der Patsche.«
    »Sie sind so unglaublich prüde«, sagte Franz. »Das macht einen richtig an.« Er stand auf und wischte sich Grassamen und Insekten von den Shorts. »Wenn das System beschließt, ihn in die Pfanne zu hauen, dann haut es ihn in die Pfanne«, sagte er. »Kommen Sie, wir bauen die Zelte auf.«
    Mit Pete und den anderen Führern war erst am Abend zu rechnen. Mit der Bemerkung, sie sei müde, zog sich Bec in ihr Zelt zurück und legte sich hin. Sie fragte sich, wie sie Franz’ Anmache einen Monat lang aushalten sollte. Bald darauf hörte sie draußen das Gras rascheln, ein Schatten fiel auf die Zeltklappe, und der Reißverschluss wurde aufgezogen. Bec stemmte sich auf die Ellbogen und sah einen langen, voluminösen Penis in das orange Licht des Zeltinneren eintreten und dort einen Augenblick leicht wackelnd verharren, bevor sein Besitzer Anstalten machte, seinem Glied zu folgen.
    »Oh«, sagte Bec.
    Sich rasch aufsetzend, warf sie einen Blick auf die zwei Bücher, die sie mitgenommen hatte – Zelda: A Biography und Band 2 der Serie World Class Parasites (über die Geohelminthen). Sie griff sich das erste, hob es über den Kopf und donnerte ein halbes Pfund Zelda auf Franz Nickells schielenden Zyklopen. Es gab ein Geräusch, wie es ein Statist im Film macht, der einen Wachposten spielt und überraschend in den Rücken gestochen wird, und das geschlagene Organ zog sich zurück.
    Bec wartete, und als sie das Schweigen nicht länger aushielt, trat sie hinaus. Franz stand zehn Meter entfernt mit dem Rücken zu ihr, bis zu den Knien in blühenden Kräutern, und betrachtete den Sonnenuntergang über dem Wald. Unter anderen Umständen hätte Bec ein Foto gemacht. Franz wirkte dort ganz natürlich und bescheiden, nackt vor der Sonne. Es war eine schöne Szene, bis auf eine Kleinigkeit.
    »Franz«, sagte sie, trat aber nicht näher. Er antwortete nicht. »Franz«, wiederholte sie. »Alles okay mit Ihnen? Professor Nickle?«
    »Nick ell «, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    »Professor Nick ell , da hängt ein Blutegel an Ihrem Hin tern .«
    Einige Wochen später, nachdem Bec das Nickell-Projekt verlassen und sich ein bisschen Stiftungsgeld für Ad-hoc-Forschungen im Slum erbettelt hatte, kam Ruth sie besuchen. Bec war aus der Villa der Nickells ausgezogen und logierte bei einer Geologin ein paar Straßen weiter.

Weitere Kostenlose Bücher