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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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stellte sie fest, dass ihre Aktien gut standen und man auf ihre Ideen hörte. Als Becs Forschungsleiterin Meena in Mutterschaftsurlaub ging, übernahm Bec die Vertretung. Sie betreute die Doktoranden, unterrichtete und bemühte sich um Alternativen zu Meenas obsessiver Beschäftigung mit parasitischen Würmern. Eines Tages, kurz nach ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag, hatte sie ihrer Mutter erzählt, dass sie nach Papua-Neuguinea wolle.
    »Weißt du, wer außer Wissenschaftlern sonst noch so um die Welt hopst?«, sagte ihre Mutter. »Katholische Priester. Drei Jahre hier, zwei Jahre da. Du wirst keinen Mann finden, der bereit ist, dir ständig um die Welt zu folgen.«
    »Ich bin nicht auf der Suche nach einem«, sagte Bec. »Du hast schon Enkel.«
    »Warum unterstellst du mir immer selbstsüchtige Motive? Es geht mir um dich.« Ihre Mutter zog an einer Zigarette und nahm einen Schluck ayurvedischen Tee. Die Packung erwähnte sein Potenzial, das Karma positiv zu beeinflussen. »Du musst lernen, Einschränkungen im Leben hinzunehmen.«
    9
    Ein Professorenehepaar aus Stanford, Ornithologe und Entomologin, hatte Bec für Papua-Neuguinea angeworben, und zwar wegen ihres Aufsatzes über sexuelle Konflikte bei Parasiten, den Ruth Nickell als »verwegen« bezeichnete. »Es spricht sich Nick ell «, teilte sie Bec am Telefon mit. »Ich mache Insekten, er Vögel.«
    Ihr Mann Franz war auf den übersetzten Aufsatz eines längst verstorbenen japanischen Parasitologen gestoßen, der im Zweiten Weltkrieg zu den japanischen Invasionstruppen auf Papua-Neuguinea gehört hatte. Darin stand beschrieben, wie eine Pioniereinheit, die ein Lager im Landesinnern errichtet hatte, gegen Malaria nahezu immun geblieben war, während ihr weiter unten im Tal die Soldaten zu Hunderten zum Opfer fielen. Der japanische Wissenschaftler entdeckte eine Stechfliege, die gleichermaßen das Blut von Menschen wie Paradiesvögeln saugte. Er mutmaßte, dass ein unbekannter Parasit von den Vögeln auf die Menschen übertragen wurde und dass dieser Parasit Immunität gegen den Parasiten verlieh, der Malaria verursachte. Bevor er weiterforschen konnte, wurden die Japaner angegriffen und von der Insel vertrieben. In den Wirren des Rückzugs büßte der Wissenschaftler seine Fotos, Zeichnungen und den Holzkasten mit den Blutproben der Soldaten ein.
    Bec flog nach Australien und von dort nach Lae. Ruth holte sie ab und brachte sie zu dem Bungalow in der Kleinstadt, wo sie und ihr Mann eine Forschungsstation eingerichtet hatten. Sie fuhr schnell und überholte Busse und Lastwagen, wobei sie mit ihren knochigen Händen auf die Hupe drosch und die Lichthupe betätigte. Sie fragte Bec wie eine freundliche neue Zimmergenossin nach ihrem Leben und ihrer Familie aus, und als Bec den Tod ihres Vaters erwähnte, nickte Ruth und entgegnete darauf mit der Geschichte ihres erwachsenen Sohnes, der mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, als wollte sie sagen: O ja, so einen haben wir auch . Ruths Aufmerksamkeit ging von der Straße zu Bec und wieder zurück, und ihr Pferdeschwanz schwang dabei hin und her wie ihre Brüste, die frei unter dem schlabberigen T-Shirt hingen, und das Anch-Zeichen, das sie an einer Schnur um den Hals trug.
    »Mein Mann kann ein bisschen verschroben sein, aber unterschätzen Sie seinen Verstand nicht«, sagte Ruth. »Außer dem ist er toll im Bett.« Sie stieß ein quiekendes Lachen aus.
    Am Stadtrand passierten sie ein wildes Gewirr von Hütten aus Bambus, Blech und alten Düngemittelsäcken, in Schlamm und Rauch versunken und wimmelnd von blähbäuchigen Kindern und ekelhaften sich mausernden Hühnern mit schmutzigem Federkamm auf dem Kopf.
    »Sieht aus wie die Peripherie einer größeren Stadt«, sagte Bec.
    »O Gott, ist das nicht deprimierend?«, sagte Ruth. »Diese armen Leute kommen aus den Bergen herunter und versuchen, in Niemandshausen Fuß zu fassen. Direkt aus dem Wald ins Gewimmel. Keine Toiletten, keine Schulen, keine Jagd.«
    Franz war ein stämmiger, bierbäuchiger Bartträger, der zwischen dem Saum seiner sackartigen Kakishorts und den Rändern seiner Timberland-Schuhe melonendicke Waden zur Schau trug. Bec nahm sich vor, seinen Verstand nicht zu unterschätzen, doch nachdem er ihr die Hand gegeben hatte, wandte er sich ab, ohne etwas zu ihr zu sagen, nahm seine Frau mit an seinen Laptop und unterhielt sich murmelnd mit ihr, als ob Bec gar nicht da wäre.
    Rot vor Verlegenheit, machte sie sich zu Fuß auf, die Umgebung zu

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