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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Ruth war freundlicher denn je. Sie hörte nicht auf, Bec zu berühren, strich ihr über Ellbogen, Schultern, Taille, Kopf. Ihr Sohn war weiterhin auf freiem Fuß.
    »Gut gemacht«, sagte Bec.
    »Ach, wir tun, was wir können. Ich musste zustimmen, dass sie ihm ein Medikament verpassen. Das soll verhindern, dass er sich in Schwierigkeiten bringt und selber Rauschmittel nimmt. Das kennt man ja schon, oder? In Amerika wird Droge mit Droge bekämpft. Alle wissen das, und wenn etwas allgemein bekannt ist, unternimmt niemand was. Und jetzt ist Mom wieder im Dschungel und versucht, irgendwas zu finden, damit Kinder in Mosambik lange genug leben, um kommerziell verwertbare Verhaltensstörungen zu entwickeln. Schade, dass Sie uns verlassen haben.«
    »Finde ich auch«, sagte Bec. »Die Chemie, wissen Sie?« Sie war sich nicht sicher, was Franz Ruth über den Vorfall erzählt hatte.
    »Und jetzt arbeiten Sie mit den Squattern«, sagte Ruth.
    »Diese Vögel, die sie halten, sind kranke Paradiesvögel«, sagte Bec, freudig erregt, dass sie es jemandem erzählen konnte. »Die Squatter sagen, ihre Anwesenheit schützt sie vor Malaria. Sie sind aus den Bergen gekommen, und dort waren die Japaner. Ich glaube, das ist die Lösung. Ich wünschte, Sie könnten mir helfen.«
    Bec hatte den Eindruck, dass Ruth gar nicht zuhörte.
    »Viel Glück, meine Gute«, sagte Ruth, während sie mit den Wagenschlüsseln spielte. »Ich habe Ihnen so eine Chance gegeben. Ich fasse es nicht, dass Sie ihn abgewiesen haben. Ich bin so was von verliebt in den Mann. Ich kann es nicht mit ansehen, wenn er enttäuscht wird.«
    »Ich habe mir gesagt: Er ist Ruths Mann. Der Anstand verbietet es, sich mit den Männern anderer Frauen einzulassen.«
    »Wollen Sie damit sagen, mit mir stimmt irgendwas nicht?«, sagte Ruth, und ihre Stimme wurde ein bisschen lauter und schriller wie bei einem schlecht gelaunten Kind. »Was haben Sie sich bloß dabei gedacht, Ihren Anstand nicht zu vergessen? Wie konnten Sie ihm widerstehen?«
    10
    Die kranken Hausvögel im Slum, entdeckte Bec, gehörten zu einer Art, die sich Hausemann-Paradiesvogel nannte. Die Immunität des sie haltenden Squatterstammes gegen Malaria war ein Geheimnis geblieben, denn medizinische Betreuung war rar, und die Menschen hatten reichlich andere Krankheiten, darunter die chronischen Sehstörungen der Erwachsenen. Bec begegnete der Stechfliege des japanischen Wissenschaftlers in den Hütten massenweise. Was ihr fehlte, war nur noch der Parasit. Sie hatte sich einen Plan gemacht, Blutproben von den Squattern zu nehmen, doch dann wurde sie krank.
    Eines Tages bekam sie Kopfschmerzen und zitterte vor Kälte, obwohl es in der Stadt heiß und schwül war. Sie nahm Paracetamol und ging zu Bett. Ein unheimlicher Fiebertraum quälte sie eine ganze Nacht hindurch, die ihr vorkam, als dauerte sie Wochen. Am Morgen pellte sie sich aus den feuchten Laken und stand auf. Aber ihr war so schwindelig, dass sie kaum stehen konnte. Sie trank zwei Gläser Wasser und nahm sich vor, im Krankenhaus anzurufen, doch nach dem Trinken ging es ihr besser, und als sie sich schließlich ans Mikroskop setzte, hatte sie nur noch eine verstopfte Nase und einen rauen Hals.
    Sie untersuchte mehrere hundert Felder ihres eigenen Blutes und fand keinerlei Anzeichen von etwas Nichtmenschlichem. Am Abend kam das Fieber wieder. Sie ging mit vierzig Grad Temperatur zu Bett.
    Bei Tagesanbruch wachte sie mit schwimmendem Kopf auf. Sie ließ sich aus dem Bett zu Boden gleiten und kroch auf Händen und Knien in den Teil des Hauses, den sie als Labor benutzte. Während sie Blut auf einen Objektträger strich, schlotterte ihr Körper vor Fieber, und sie presste die Handgelenke fest auf den Tisch, um sie ruhig zu halten. Ein Schweißtropfen lief ihr auf die Lippe, und sie leckte ihn ab. Sie bekam den Objektträger fertig, legte ihn auf den Mikroskoptisch und wurde ohnmächtig. Als sie aufwachte, waren Stunden vergangen. Ihr Kopf war klar, und sie hatte Hunger und Durst. Sie machte sich eine Kanne Kaffee und setzte sich ans Mikroskop.
    Im dritten Feld sah sie, dass ein fremdes Wesen in eines ihrer roten Blutkörperchen eingedrungen war. Der Parasit war kleiner als das Plasmodium, das die lokale Abart der Malaria verursachte. Er sah wie eine Haemoproteus-Spezies aus, aber keine, die sie identifizieren konnte.
    Das Fieber kam nicht wieder. Bec flog zu Tests und Beratungen mit anderen Wissenschaftlern nach Australien, und gemeinsam bekamen sie heraus,

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