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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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monumentalen Überreste dieser Unglücksfälle nahmen wie selbstverständlich einen großen Raum in ihrer Gemütswelt ein. Sie beherrschten sie, und sie verstand nicht, wieso die Leute, mit denen sie tun hatte, den Eindruck erweckten, nicht in gleicher Weise von den Graten und Kratern ihrer Zusammenstöße mit dem Schicksal beherrscht zu sein. Sie war nicht die Einzige, die den frühen Tod von Vater oder Mutter oder das Ende der Liebe erlebt hatte, und sie konnte nicht ergründen, ob andere Leute ein System zur Rationalisierung von Katastrophen erfunden hatten, in das sie nicht eingeweiht wurde, oder ob sie nur gelernt hatten, sich weiszumachen, dass es keine weiteren Katastrophen geben würde.
    Sie war auf der Suche nach geheimen Systemen. Ihr Verhalten außerhalb der wissenschaftlichen Welt kam ihr eher zufällig vor, und sie hoffte, in ihrer Zufallsgetriebenheit irgendwann auf eine Art Leitlinie für richtiges Verhalten zu stoßen, die andere sich ausgedacht hatten. Mithin war sie selbstbewussten Männern wehrlos ausgeliefert, machte aber die Entdeckung, dass sie diese am liebsten mochte, sobald ihre Pläne und ihr Selbstbewusstsein in sich zusammenfielen.
    Die Forschungsassistenten luden sie zu Partys ein, und oft tauchte sie spätabends nach dem Labor in die Musik und das betrunkene Gerede eines fremden Wohnzimmers ein. Eines Morgens nicht lange nach ihrem dreißigsten Geburtstag stieg sie aus dem Bett, in dem sie die Nacht mit einem Mann verbracht hatte, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Karl, oder vielleicht auch Carl, das erfuhr sie nie, hatte einen Schreibtisch unter dem Fenster in seinem Zimmer stehen. Auf dem Schreibtisch fand Bec ihr Shirt. Zerknüllt und auf links gedreht, lag es auf einem Stapel Ordner und Bücher. Als sie sich ihr Oberteil nahm, sah sie, dass auf dem Haufen ein Zettel mit einem hingekritzelten Raster lag, eine Liste von Mädchennamen mit vorangestellten Buchstaben und Symbolen. Bec zählte. Es waren fünfundzwanzig Namen. Sie drehte sich um und fragte C/Karl, ob das alle Frauen waren, mit denen er gegangen war.
    »Alle Mädchen, mit denen ich geschlafen habe«, sagte C/Karl. »Seit ich mit dem Studium fertig bin.«
    »Schreibst du jetzt meinen Namen dazu?«
    C/Karl lächelte, stemmte sich auf einen Ellbogen und rieb sich mit dem Handballen die Augen. »Ich hatte Langeweile. Ich wollte wissen, wie viele es waren.«
    »Aber warum hast du dir die Namen in dieser Form aufgeschrieben?«
    »Machst du das nie?«, fragte C/Karl, als ob das eine Antwort wäre.
    »Nein«, sagte Bec, setzte sich mit dem Rücken zu ihm auf die Bettkante und zog die Ärmel aus dem Shirt. »Was bedeuten die Symbole?«
    C/Karl ruckelte näher und blickte widerstrebend auf den Zettel. »Welche?«, fragte er.
    »Hier, dieses Blitzzeichen.«
    »Das sind die Verrückten.«
    »Von denen gibt es ziemlich viele.«
    Jetzt, da sein System entdeckt war, fand er Freude daran, es zu erklären. »Ein Stern bedeutet, dass sie gut aussieht, ein H bedeutet heiratsfähig, und das F bedeutet, dass der Sex irre war. Der Smiley ist für die, mit denen ich Spaß hatte.«
    »Was ist mit dem Pfundzeichen? Bedeutet das, sie haben Geld? Das Zeichen ist dir peinlich, stimmt’s? Warum?«
    C/Karl zuckte die Achseln, lächelte, kratzte sich am Schenkel und griff nach Tabak und Blättchen für eine Selbstgedrehte.
    »Hast du einer der Heiratsfähigen einen Antrag gemacht?«
    C/Karl schüttelte den Kopf, schüttelte das Streichholz aus und kniff vor dem aufsteigenden weißen Zigarettenrauch die Augen zusammen. »Bin zu jung, um mich zu binden.«
    Bec runzelte die Stirn. »Was ist mit der hier?«, sagte sie. »Dora. Stern Stern Stern, H, F F F, Smiley, Pfundzeichen. Klingt zu gut, um sie gehen zu lassen. Warst du in sie verliebt?«
    C/Karl stieß ein leises, heiseres Lachen aus. »Blitz, Blitz, Blitz …«
    »Verfolgst du ein Ziel? Ist das ein Wettstreit mit deinen Freunden?«
    »Keine Fragen vor dem Frühstück«, sagte C/Karl und umfasste von hinten ihre Schultern. Seine Hände glitten über ihre Brüste, und sie beugte sich nach hinten und liebkoste seinen kahl geschorenen Kopf, warm wie etwas frisch Gebackenes. Sie zog ihm die Zigarette aus dem Mund und nahm einen Zug.
    »Ich muss gehen«, sagte Bec.
    »Weißt du wirklich nicht, mit wie vielen Männern du geschlafen hast?«
    Bec sah ihn an, stieß eine Wolke aus und sagte, sie habe in dieser Woche schon drei Männer gehabt.
    C/Karls Hände zuckten zurück, als würde der Kontakt sie

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