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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Starke Worte in ihrem Mund hemmten sie nicht.
    Als Matthew fortfuhr, klang auch seine Stimme verändert. Er sagte, was sie heute um sich herum sähen, sei eine Gesellschaft wie die nach Josua. Junge Leute, die sich betranken, Drogen nahmen, Liebe mit Pornografie verwechselten und sich gegenseitig mit Messern abstachen. Eltern, die sie nicht aufhalten konnten, weil sie selbst nicht mehr wussten, was richtig und was falsch, was gut und was böse war. Die Menschen suchten nach Antworten, aber statt sich Jesus zuzuwenden und der Bibel, die so klare moralische Leitbilder gebe, mixten sie sich armselige Cocktails aus verschiedenen Religionen zusammen, ein bisschen Christentum, ein bisschen Hinduismus, ein bisschen Islam, Buddhismus, Schamanismus. Es sei nicht das erste Mal, dass Großbritannien eine Zeit der Zweifel und der Verstocktheit vor der Wahrheit Gottes durchlaufe, sagte Matthew, und es werde nicht das letzte Mal sein, aber das Buch der Richter zeige uns, dass der Kreislauf der Generationen zwangsläufig eine Umkehr bringe, zurück zum Glauben.
    Er fragte Rose, was sie denke. Sie sprach für ein junges Mädchen mit großer Entschiedenheit. Alex erkannte, dass sie ihren Eltern deren eigene Worte zurückgab, verkürzt und zusammengefasst.
    »Was ist mit dir, Alex?«, sagte Matthew.
    Alex, der seit Kindertagen nicht mehr in der Bibel gelesen hatte, hatte während der Ausführungen der anderen die ersten Kapitel des Buches der Richter überflogen. Er konnte keinen Zusammenhang sehen zwischen dem, was Lettie und Matthew beschrieben, und den Worten auf der Seite; in dem Text, den er las, waren die Israeliten und ihr Gott ein sadomasochistisches altes Ehepaar, das nur durch ihre gemeinsame Mordlust von der Scheidung abgehalten wurde.
    »Gott und die Juden scheinen sich zu hassen«, sagte Alex.
    »Man darf das nicht wörtlich nehmen«, sagte Matthew. »Es geht um die Unterordnung unter Gottes Gesetz.«
    »Es sind schon viele Gangstersachen drin, Dad«, sagte Rose. »Wenn Ehud dem dicken König in den Bauch sticht oder wenn Jaël dem Sisera einen Pflock in den Kopf hämmert.«
    »Darum geht es nicht«, sagte Matthew.
    »Du hast mich das nicht lesen lassen, als ich kleiner war, wegen der Sprache.« Sie blickte von Gesicht zu Gesicht und hob ihr Kinn wie zur Abwehr eines Angriffs, der gar nicht erfolgt war. »Warum bekommen wir nicht einfach gesagt, wie wir uns verhalten sollen, wie in anderen Büchern auch?«
    Matthew und Lettie verschränkten im selben Moment die Arme. Mit einer schweren Kopfdrehung sah Lettie ihren Mann an.
    »Was für andere Bücher?«, sagte er.
    »Ach, egal«, sagte Rose und sprang mit der Frage »Darf ich gehen?« auf und zur Tür hinaus.
    »Es ist die Schule«, sagte Lettie. »Zu multikulturell. Sie verbringt zu viel Zeit mit denen.« Sie wandte sich Alex zu. »Wenn ihr Kinder hättet, du und Maria, wüsstest du, wie schwer es ist.«
    Matthew schloss die Finger um ihr Handgelenk, und sie zog gegen seinen Griff an, weniger um freizukommen, als um Widerstand zu zeigen; er hielt ihr Handgelenk recht fest. »Du musst sie lenken. Du musst ihnen den Unterschied zwischen Recht und Unrecht zeigen. Dazu brauchst du eine Grundlage. Ich weiß, du hältst das alles«, sie hob die Bibel hoch, »für sehr dumm, aber wie willst du sonst das Leben erklären?«
    »Es gibt keine Erklärungen«, sagte Alex. »Es gibt keine Antworten, und es gibt keinen Sinn. Es gibt nur das Leben.«
    Lettie lachte. »Würdest du das deinen Kindern erzählen, wenn sie mit ihren Fragen zu dir kämen? Dass es keinen Sinn gibt, keine Antworten? Ich wette, Maria sieht das anders.«
    »Maria und ich sind nicht mehr zusammen«, sagte Alex. »Wir haben uns getrennt.«
    Lettie sah ihn mit Erstaunen und einer Spur von Entsetzen an, als hätte er etwas Schmutziges in ihr Haus eingeschleppt, das nicht mehr wegzuwischen war.
    »Es hat nicht geklappt mit uns«, sagte Alex. »Wir haben uns gütlich getrennt.«
    »Aber ihr wart so lange zusammen«, sagte Lettie.
    Alex zuckte die Achseln und konnte nicht verhindern, dass ein Lächeln sich in sein Gesicht stahl, was Letties Entsetzen noch vermehrte.
    »Er hat jemand anders gefunden«, murmelte Matthew.
    »Du hattest eine Affäre?«, sagte Lettie.
    »Nein!«, sagte Alex, dem das Lächeln vergangen war. Lettie hatte sich, soweit er sich erinnern konnte, nie etwas aus Maria gemacht. »Nein, es war ihre Idee.«
    Lettie sah ihn ungläubig an. »Es war Marias Idee, dass du dich in jemand anders verliebst?

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