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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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Wieso sollte sie das wollen?«
    »Lettie«, sagte Matthew. Alex wurde puterrot, und sein Herz bummerte.
    »Entschuldige«, sagte Lettie. »So was passiert, ich weiß, aber es klingt so leichtfertig.« Sie sagte es, als hätte sie vergessen, dass sie ihre Gedanken laut aussprach. Er wollte sich verteidigen, aber er konnte ihnen nicht erzählen, wie er sich geschämt hatte, von Maria wegzugehen, nachdem er vor ihren Augen darüber gegrinst hatte. Sätze wie »So geht’s im Leben « oder »So was passiert ständig « fielen ihm ein, und er wusste, dass sie ihm aus irgendeinem Grund im Haus seines Cousins nur schief über die Lippen kommen würden.
    Lettie stand auf, eine Hand auf dem Bauch, eine Hand auf der Stuhllehne, bemüht, die Stuhlbeine nicht über den Holzboden zu kratzen. »Du und diese neue Freundin, ihr werdet also Harrys Haus übernehmen«, sagte sie zu Alex. »Oder vielleicht könnt ihr es ja auch irgendwie verkaufen.« Sie drehte sich um, um den übrig gebliebenen halben Brotlaib wegzupacken, und sagte etwas, wovon Alex nur die letzten zwei Wörter verstand, nämlich: »… zwei Millionen.«
    »Sprich nicht so«, sagte Matthew zu Lettie, als ob er ein Kind zurechtwiese. »Das kann er nicht machen.« Er sah Alex an. »Du weißt nicht, worüber wir reden, nicht wahr? Hast du dich je gefragt, was aus dem Haus meines Vaters wird, wenn er stirbt?«
    »Du erbst es, nehme ich an.«
    »Er hat es testamentarisch dem Institut vermacht. Er hat von einem Anwalt einen Vertrag aufsetzen lassen, wonach das Institut nur eins damit anfangen kann, und zwar den Direktor dort unentgeltlich wohnen zu lassen. Dich, mit anderen Worten. Wie die Dinge stehen, wirst du das Haus meines Vaters in Besitz nehmen, wenn er nicht mehr ist.« Matthew wandte sich Lettie zu. »Er wirkt wirklich überrascht.« Zu Alex sagte er: »Es wäre mir lieb, du würdest Dad nicht wissen lassen, dass du es weißt. Er hat mir erklärt, dass er es aus Prinzip machen will.«
    »Du hast ihn gesehen?«
    »Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er vor vier Monaten die Diagnose bekam, deshalb bin ich nach London gefahren. Er hat mich nicht ins Haus gelassen. Wir haben in der Tür gestanden und geredet. Er hat gesagt: ›Die alten Intellektuellen in London sterben, und die jungen können es sich nicht leisten, hier zu wohnen.‹«
    »Ich werde ausziehen«, sagte Alex.
    »Das musst du nicht.«
    »Ich werde ausziehen, sobald ich zurück bin. Und du wirst ihn wiedersehen und dich um ihn kümmern. Er wird seine Meinung ändern.«
    »Es ist ungerecht«, sagte Lettie. »Du hast keine Familie.«
    »Lettie«, sagte Matthew.
    Kopfschüttelnd sagte Lettie, sie gehe zu Bett. Matthew stand auf, entschuldigte sich bei Alex, sagte Gute Nacht und folgte seiner Frau.
    Alex war nur einen Moment allein in der Küche, dann kam Rose und begann, die Spülmaschine einzuräumen. Er bot an zu helfen.
    »Schon gut«, sagte Rose, auf eine Art lächelnd, als wäre die Vorstellung absurd, dass er bei der Hausarbeit irgendetwas tun könnte, außer im Weg zu stehen. Alex blieb sitzen und sah ihr bei der Arbeit zu. Woher hat sie die Grazie?, fragte er sich. Von Lettie?
    »Wozu lebt man dann überhaupt?«, sagte Rose, während sie die Teller in den Korb schob. Sie drehte sich um und verschränkte die Arme. »Du hast gesagt, es gibt keine Erklärungen, keine Antworten und keinen Sinn.«
    »Du hast vor der Tür gelauscht.«
    »Also, wozu?«
    »Es gibt kein Wozu im Leben«, sagte Alex. »Und trotzdem leben wir.«
    »Das ist nicht sehr überzeugend.«
    Alex stand auf und fing an, mit den Armen auf und ab zu schlagen. Rose schüttelte den Kopf und lachte, und Alex sagte: »Das Erste, was du fühlst, wenn du auf die Welt kommst, ist Zeit. Zeit, verstehst du?« Er sah sich um und kniff die Augen zusammen, als könnte er die Zeit im Gesicht spüren wie den Wind, als könnte er sie riechen. »Alle um dich herum bewegen sich durch die Zeit und verändern sich. Das ist die Reise, in die du hineingeboren wirst. Du wirst im Flug geboren. Du fliegst durch die Zeit, wie auf einer großen Wanderung.« Während er sprach, trabte er um den Küchentisch und schlug schwer mit den Armen, als ob er ein müder Vogel wäre. »Und dann, auf deiner Wanderschaft, gebierst du selbst die Nächsten.« Ohne den Flug um den Tisch zu unterbrechen, machte er mit einem Flügel eine kuriose Geburtsbewegung.
    »Ich hoffe, es ist jemand da, der das Ei auffängt«, sagte Rose.
    »Komm mit! Folge mir! Komm mit!« Rose seufzte,

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