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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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fällt aus der Norm. Und zu der kannst du ohne Weiteres gehen, sie bringt‘s dir bei!«
    »Aber die ist doch uralt!«
    »Zugegeben, sie ist schon gut über die vierzig, aber ...«
    »Mann, Kosta! Also älter als meine eigene Mutter!«
    »Ich sag dir mal was ...«
    »Jannakopoulos und Mastrojannis!«, donnerte es jetzt vom Lehrerpult her. »Was gibt es da hinten zu tuscheln? Auf der Stelle gebt ihr Ruhe, sonst könnt ihr mal mein Stöckchen schmecken!«
    »Gleich in der Pause!«, flüsterte Kosta noch schnell hinter vorgehaltener Hand, bevor er mit gelangweilter Miene wieder nach vorn sah.
    »Sie mag alt sein«, erklärte er etwas später in der Pause, nachdem er mich in eine leere Ecke gezogen hatte, »aber das vergisst du vollkommen, wenn du bei ihr bist. Sie ist eine Bombe, ein Vulkan, sage ich dir! Und sie bringt dir alles bei, was du wissen musst und wissen willst. Und wenn ich sage ›alles‹, dann meine ich auch alles. Verstehst du?«
    Ich hatte zu dem Zeitpunkt nicht mal eine Ahnung von den elementarsten Grundlagen, geschweige denn eine Vorstellung von ›allem‹ und was das bedeuten könnte. Trotzdem nickte ich mit Kennermiene. Und fragte dann:
    »Du warst also mal bei ihr?«
    »Und ob! Und nicht nur einmal! Aber jetzt geh ich nicht mehr«, Kosta sah sich vorsichtig um und sagte mir dann leise ins Ohr: »Ich hab‘s auf die Kleine in der Parallelklasse abgesehen!«
    »Welche Kleine?«
    »Egal. Ich sag dir nur: Geh zu ihr! Sie weist keinen ab. Sie ist die beste Schule für uns Jungs. Und auch, wenn man sie für verrückt hält: Sie ist diskret! Sie rennt nicht herum und plappert über einen, verlass dich drauf.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich aufgrund dieser Empfehlung auch nur in die Nähe von Melinas Haus wagte. Mochte ja sein, wie Kosta versichert hatte, dass sie diskret war in gewissen Dingen – es war nur schwer zu glauben. Sie war dafür berüchtigt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und nicht ganz ohne Grund galt sie als verrückt. Ging man an ihrem kleinen, ebenerdigen Haus vorbei, das sich in einer der ältesten engen Gassen befand und hatte man das Pech, dass sie gerade an ihrem offenen Küchenfenster stand und hinausschaute, dann konnte man fast sicher sein, sich eine hemmungslos laut tönende Bemerkung von ihr einzufangen – egal wer es sonst noch hören oder nicht hören mochte. »He, Janni«, rief sie etwa, »hast du heute schon deine Frau beglückt? Sei nicht so träge! Sie sieht so unbefriedigt aus in letzter Zeit!« Sie schonte auch keineswegs ihre Geschlechtsgenossinnen: »Guten Morgen, Maria! Schick mir mal deinen armen Mann vorbei. Wie man hört, leidest du unter Dauermigräne und lässt ihn verhungern in deinem Bett!« Besonders gern gab sie es dem dickbäuchigen Popen, der in der Nachbarschaft wohnte: »Oh, der Herr Hochwürden! Wie viele scheinheilige Rauchwölkchen hat er denn heute wieder herumgeschwenkt und die Köpfe seiner Schäfchen eingenebelt? Und dabei die Hand aufgehalten?« Aber auch Amtspersonen aller Art hatten bei ihr nichts zu lachen: »Guten Abend, Herr Steuerprüfer! Haben wir einen einträglichen Tag gehabt? Die Finger waren aber auch wieder so verschwitzt von der Hitze, nicht wahr, da bleiben halt die Geldscheine dran kleben!« Solchen und ähnlichen Sprüchen ließ sie dann meist noch ein schallendes Gelächter folgen, wobei ihr ausladender Busen unter der knappen Bluse bedenklich ins Schlingern geriet.
    Die Leute reagierten unterschiedlich darauf. Manche schossen ihr wütende Blicke zu und machten drohende Gesten, einige beschimpften sie, andere senkten den errötenden Kopf und beschleunigten den Schritt. Es gab auch solche, die einfach lachten, sie nahmen sie halt nicht für voll und amüsierten sich.
    Sie konnte aber auch durchaus Nettes sagen, vor allem, wenn Kinder an ihrem Fenster vorbeikamen. »Litsa, mein Püppchen, was bist du heute wieder hübsch! Um dich werden sie sich noch reißen, wenn du groß bist ...« Und sie warf ihren Worten verschwenderisch Kusshändchen hinterher. Manchmal ließ sie die Leute auch kommentarlos passieren und folgte ihnen nur mit ihrem Blick. Dann sang sie stattdessen mit Leidenschaft irgendein altes Volkslied, völlig unbekümmert darüber, ob sie den richtigen Ton traf oder nicht – meistens lag sie haarscharf daneben.
    Mein Klassenkamerad Kosta hatte mich aber nun neugierig gemacht, und eines Nachmittags nahm ich allen Mut zusammen und betrat die Gasse, in der Melinas Häuschen stand. Ich hatte mit Absicht

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