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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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weiß das auch. Er ist fünf Jahre jünger als ich und sieht – finde ich zumindest – sehr gut aus. Seine Gesichtszüge strahlen noch diese jugendliche Frische aus, und man sieht ihm an, dass er viel Sport treibt. Zwar bin ich – bei aller Bescheidenheit – mit meinem eigenen Äußeren im Großen und Ganzen recht zufrieden, aber an Frank reicht es nicht heran. Ihm scheint das egal zu sein, jedenfalls lässt er mich nichts spüren. Vielleicht empfindet er das auch nicht so; letztlich ist Schönheit ja eine sehr subjektive Wahrnehmung.
    Manchmal, wenn ich ihn betrachte, sonntagmorgens, wenn ich vor ihm aufgewacht bin und er noch neben mir schläft, frage ich mich, warum einer wie Frank ausgerechnet mich zum Freund ausgewählt hat und wie es möglich ist, dass wir schon so lange ein Paar sind. Und dann frage ich mich, warum ich dennoch den Verlockungen fremden Fleisches unterliege. So wie gerade jetzt. Muss ich mir wirklich beweisen, dass ich noch bei anderen ankomme, sie erobern kann? Oder bin ich einfach nur ein Sklave der männlichen Biologie, die uns seit Urzeiten dazu zwingt, unsere Samen möglichst breit in alle Welt zu streuen, was in unserem Fall besonders sinnlos ist, sie landen ja niemals auf fruchtbarem Boden, sondern stattdessen, untätig, in Kondomen oder Papiertaschentüchern, manchmal auch, was die Sache nicht besser macht, in irgendwelchen Darmmündungen oder Mägen…
    Im Auto denke ich an frühere Abenteuer. Sie ergaben sich fast ausschließlich über das Netz, in die Bar gehe ich nur noch selten, weil sich dort fast nur noch alte Knacker, also mein Alter aufwärts, an der Theke in ihrer Einsamkeit ergehen. Da ist das Internet schon ein Segen für den kleinen Hunger zwischendurch. Diese Ausflüge verliefen freilich längst nicht immer so, wie ich es erhofft hatte: Die Jungs hatten Bilder in ihrem Profil, die ihrem tatsächlichen Äußeren sehr schmeichelten, mir verging dann schon die halbe Lust, wenn sie live und in Farbe vor mir standen. Andere entsprachen zwar von ihrem Äußeren her voll und ganz meinen Erwartungen, dafür erwies sich der Sex mit ihnen als dermaßen fade und langweilig, dass ich mir die zu erzielende Erleichterung mit wesentlich weniger Aufwand, dafür mit doppelt so viel Vergnügen, besser alleine zu Hause hätte verschaffen können. Das waren die Fälle, in denen ich mir auf dem Rückweg die Frage stellte: Musste das jetzt sein? und diese umgehend mit einem klaren Nein beantwortete. Und noch etwas kam dazu, was die Bilanz der guten und schlechten Gefühle stets ins Negative abgleiten ließ: mein schlechtes Gewissen gegenüber Frank. Mehr als einmal schwor ich mir, dies war das letzte Mal. Bis zur nächsten Gelegenheit …
    Dann gab es Jungs, bei denen alles wunderbar passte, mit denen ich in jeder Hinsicht richtig Spaß hatte, manche von ihnen traf ich ein zweites Mal und öfter, mit manchen stehe ich noch immer in Kontakt. Solche Kontakte sind nicht ungefährlich – manchmal bleibt etwas mehr hängen als der gemeinsame Spaß. Das ist mir bis jetzt einmal passiert: Vor fast zwei Jahren lernte ich Andreas kennen, Frank war für vier Tage auf einem Seminar in München. Ich hatte noch keine Lust, schlafen zu gehen, daher ging ich ohne spezielle Absichten auf ein Bier in die Bar. Dort war, wie gewöhnlich unter der Woche, nicht viel los; ich setzte mich an die Theke, mit einem unbesetzten Hocker Abstand neben einen jüngeren Kerl, der sein Bierglas anstarrte und den ich hier noch nie zuvor gesehen hatte. Wir kamen recht schnell ins Gespräch, er war das erste Mal hier, überhaupt war er das erste Mal in »so einem Lokal«. Hierzu hatte er sich offenbar ein wenig Mut angetrunken, wie ich bemerkte. Schon bald war klar, in welche Richtung das Gespräch ging: Er hatte noch nie Sex mit einem Mann und war auf der Suche nach einem, der es ihm zeigte. Die Verlockung, einen derart attraktiven Neuling in die Vorzüge der Homoerotik einzuführen, war groß.
    Mit dem üblichen schlechten Gewissen in mir verließen wir die Bar und fuhren zu ihm nach Hause. Unterwegs sagte keiner ein Wort, mir kamen Zweifel, ob es richtig war, aber es gab kein Zurück, der Trieb hatte die Vernunft schon lange besiegt. Der Anfang war mühsam, zumal ich auf dem Gebiet der Entjungferung nicht besonders erfahren war. Schließlich überwand ich die Distanz, die wie eine dicke Panzerglasscheibe zwischen uns lag, legte meinen Arm um seine Schulter und spürte, wie sehr er die für ihn ungewohnte Nähe eines Mannes

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