Liebe und andere Schmerzen
und liebevollste Wesen, das mir je begegnet ist. Sie schlägt mir keinen Wunsch ab, ist immer für mich da. Sie ist nie krank – und natürlich haben wir diese »Händlergarantie« nicht in Anspruch nehmen müssen. Wir sind zu diesem Laden sowieso nie mehr hin. Wir mögen ihn beide nicht.
Ich habe eine kleine Werkstatt gefunden. Sie nennt sich: Die Autoflüsterer, und bei Gott, das sind sie. Morgens bringe ich meine Süße hin und am Abend hole ich sie dann mit frischen Schuhen oder einem positiv verlaufenem Rundum-Gesundheitscheck ab. Natürlich wird mal dies und jenes an ihr erneuert, aber ich lasse mir ja auch die Zähne reinigen und gehe gelegentlich zur Vorsorge. Das gehört dazu, wenn man gesund altern will.
Vielleicht fragt sich mancher, wie ich mir das alles leisten kann, als Kellner? Nun, das ist Vergangenheit. Ich bin inzwischen Geschäftsführer von dem Laden. Eigentlich habe ich nichts anders gemacht als früher. Ich habe mich nur wegen meiner Süßen besser angezogen, mir die Fingernägel maniküren und die Haare kürzer schneiden lassen. Okay, das Rauchen habe ich auch aufgegeben. Ich will gut schmecken, wenn ich Lotte küsse. Sie steht tagsüber draußen und wartet auf mich. Das spornt mich an. Ich hab immer gute Laune und ich schätze, das kommt an. Meine Trinkgelder stiegen um ein Vielfaches, bis mein Chef mich zu sich rief und mich beförderte. Jetzt bin ich am Umsatz beteiligt. Der ständig steigt. Liegt wohl an meiner Unternehmensphilosophie: Benehmt euch gut, serviert gut, und seht verdammt noch mal gut aus!
Schönes will zu Schönem. Wie Lotte und ich.
Ich muss los, ich habe gleich einen Termin mit einem Makler. Ich werde ein Haus für uns kaufen. Es ist eine aufgegebene Werkstatt, etwas renovierungsbedürftig. Aber ich weiß, dass sie es lieben wird. Dort werden wir zusammen alt werden.
Carsten Kubicki
MONOGAM
E Seit einer Stunde sitze ich vor dem Rechner. Wie jedem Abend wollte ich nur kurz nach meinen E-Mails schauen, wie jeden Abend lande ich bald im Internet, auf dem bekannten Portal, nur mal kurz reinschauen, aus kurz wird lange, also wie immer, es ist wie eine Sucht.
Seit einer halben Stunde chatte ich mit Timo_21. Er hat ein ansprechendes Profil mit vielen, auch sehr eindeutigen Bildern und einem sympathischen Text, nicht so arrogant wie häufig sonst hier: »Opis über 30 können sich das Anschreiben sparen« ist da noch ein Satz der harmloseren Sorte. Nicht so bei Timo_21. »Auch Ältere dürfen sich gerne melden«, steht da. Überhaupt scheint er, wenn man seinem Profil glauben kann, ganz nach meinem Geschmack zu sein: jung, schlank, ein nettes Gesicht. Und willig. Ja, mit jeder weiteren Nachricht wird deutlicher, dass er interessiert ist. Ich fühle mich geschmeichelt, dass so ein junger und attraktiver Kerl an einem alten Sack wie mir Interesse zeigt. Mein Alter habe ich hier mit Neununddreißig angegeben, also um drei Jahre abgerundet. Damit liege ich noch immer zehn Jahre über der bei vielen hier seit Jahren feststehenden Neunundzwanzig. Aber die Wahrheit wird in dieser virtuellen Welt ohnehin zumeist dem Wunschdenken untergeordnet, bisher hat es keiner gemerkt, anscheinend habe ich mich ganz gut gehalten…
Er will sich mit mir treffen, jetzt sofort. Ich habe nicht den Eindruck, dass er nur mit mir spielt. Alles schon erlebt: Über eine Stunde lang gechattet, mit Worten und Bildern gegenseitig aufgegeilt, und als es dann endlich konkret werden sollte, kam von der anderen Seite plötzlich nichts mehr, blaues Schweigen, alle weiteren Nachrichten von mir schienen in den Weiten des Netzes verloren zu gehen, Arschloch, dann eben nicht. Doch nicht so jetzt, ich soll zu ihm kommen, er hat mir bereits seine Adresse gegeben, mit dem Auto vielleicht zehn Minuten von hier. Ich schreibe zurück, dass ich komme, in einer halben Stunde bin ich da.
Die Gelegenheit ist heute günstig, Frank ist mal wieder auf Geschäftsreise und kommt erst übermorgen zurück. Wir sind seit zehn Jahren zusammen. Sex mit anderen Männern war nie ein Thema zwischen uns. Das heißt nicht, dass nichts läuft, nur bin ich nicht ständig auf der Suche nach Abenteuern, halt ab und zu, wenn es sich ergibt. Ich weiß nicht, wie Frank das mit den anderen Jungs hält, ob auch er gelegentliche Ausflüge unternimmt, ich will es auch gar nicht wissen, denn wenn es so wäre, dann täte es mir weh. Vielleicht vögelt er gerade jetzt mit irgendwem im Hotelzimmer herum. Chancen hätte er allemal, und ich glaube er
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