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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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dazustehen. Jedenfalls war es ein plumper und gedrungener Wagen, der Kraft und Anmut suggerierte. Die Innenausstattung war gediegen, geradezu luxuriös.
    Komisch, dachte Carl, als sie auf einer breiten Straße nach Westen fuhren, und die Häuser teurer wurden, sich mehr und mehr hinter Hecken und Bäumen versteckten: Mir ist gar nicht aufgefallen, dass der Junge einen Nasenring trägt. Und ganz nebenbei: Das schwarze, gedrillte Lederband um seinen Hals – so eng, so eng – war ganz sicher auch nicht da gewesen. Oder hatte er das alles übersehen, weil ihm diese fast animalische Lebendigkeit, die sich hinter einer Fassade aus spöttischer Lässigkeit verbarg, so den Blick vernebelt hatte? Ein wilder, unbezähmbarer Junge, ein magischer Junge in verwaschener Army-Hose, die von Sonne und Wind weich geworden war und sich der tastenden Hand direkt anbot, darum bat, dass er zugriff – dass man über den glatten, weichen Stoff strich, mit dem Handrücken vielleicht, oder mit der geöffneten Hand, um die darunter verborgenen Weichteile zu ertasten, zu kneten und zu erhärten, sie zum Pulsieren zu bringen? Die Magie war greifbar und sinnlich; die leicht gespreizten Beine ein Sinnbild für die Bitte, zuzugreifen. Wie kannst du genau der sein, den ich mir immer erträumt habe, ohne zu wissen, wie er genau auszusehen hat?
    Aber auch danach wollte er nicht fragen. Jeremiahs rechte Hand lag auf Carls Schoß. Die Hand war heiß, zärtlich und darüber hinaus auch noch fordernd. Er wurde steif und erregt bis zu den Brustwarzenspitzen. Da traten alle Fragen still und leise in den Hintergrund.
    Dennoch sah Carl immer wieder aus dem Fenster, rein aus Neugier, um sich zu orientieren. Das Stadtbild war durchaus vertraut, erschien aber zunehmend fremd und bedrohlich. Was daran fremd war, befand sich gerade außer Reichweite. Carl kam es jedoch so vor, dass alles, was er sah, fühlte und roch, zwar vertraut, aber wesentlich intensiver war. Die heiße Hand zwischen seinen Beinen war heißer als je eine Hand zuvor, die ihn zu erregen und gewinnen versucht hatte. Das Leder der Sitze roch mehr nach Leder, und der Motor des Wagens schnurrte leidenschaftlicher als jeder andere Motor eines Luxusautos. Kamen sie zu einer Kreuzung, war das Rot der Ampel strahlender als jedes Ampellicht zuvor, und wenn er rechts aus dem Wagen sah und der Fußgängerweg aus Kopfsteinpflaster war, dann spross dort das Unkraut üppiger aus den Ritzen.
    Seltsam fand Carl die Türen. Links und rechts der Straße, manchmal auf Straßenbahninseln, dann wieder auf den Gehsteigen, vor dem Zugang eines Parks, standen Türstöcke mit offenen Türen. Manche ganz offen, andere nur einen Spalt weit. Dahinter sah man nichts. Da war es schwarz, als ob man schwarzen Samt aufgespannt hätte, wie bei Theaterdekoration. Carl beunruhigte dieser Anblick wegen seiner möglichen, absurden Bedeutung. Er tippte auf irgendein neues Künstlerprojekt und vergaß sie wieder.
    Sie bogen rechts ab in ein sehr dunkles Viertel, und aus dem Augenwinkel sah Carl einen uralten, buckligen Mann in einem völlig verdreckten Mantel, der einen Kinderwagen vor sich herschob. Jetzt, gerade in diesem Augenblick, stand der alte Mann unter einer der wenigen funktionierenden Straßenlaternen und starrte zu dem Auto, das an ihm vorbeifuhr. Er zeigte zuerst mit seiner gichtgebogenen Krallenhand zu Carl und dann auf den Kinderwagen. In dieser einen Sekunde hatte Carl panische Angst. Angst, die wie Kupfer im Mund schmeckte. Das Gesicht des Alten war hohlwangig und sein schmutziger Bart war drahtig und verklebt. Seine Augen waren groß und wässrig.
    Jeremiahs Hand wurde noch heißer und rieb über Carls wachsende Beule, die unter der Jeans klopfte und Lusttropfen absonderte.
    Sie fuhren weiter und weiter und als Carl sich erneut suchend umsah, um vielleicht einen Straßennamen zu erhaschen, um sich erneut zu orientieren, um zu wissen, wo sie eigentlich waren, kletterte Jeremiahs Hand über Carls flachen Bauch nach oben und rieb mit den Fingerrücken zärtlich und fordernd über Carls Brustwarzen, die sich deutlich durch das enge, weiße Lycrashirt abzeichneten. Sie waren in einem Villenviertel angekommen, dessen Betulichkeit ganz und gar von abweisender Fremdartigkeit ersetzt worden war. Sie fuhren eine Weile durch eine Kastanienallee und bogen schlussendlich in eine Waldstraße, die frisch asphaltiert war, ein. Nach etwa fünfhundert Metern kamen sie zu einem bekiesten Platz, an den sich ein schlossähnliches

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