Liebe und andere Schmerzen
und sich ihm anbot. Und er sah jetzt noch immer wunderschön aus. Carl dachte, wenn er sich je einen Traumpartner aus – sagen wir mal – einem Katalog zusammengestellt hätte, dann wäre das sicher Jeremiah geworden; so, wie er da lag und atmete und leise schnarchte.
Jeremiah war makellos, und doch auf erfreuliche Weise nicht perfekt.
Carl dachte, dass er den Raum falsch einschätzte, weil Jeremiah das Makelloseste in diesem Bett, in diesem Zimmer, in dieser Villa war. Anhand solcher Maßstäbe musste einfach alles um ihn herum zu verblichener Bedeutungslosigkeit verfallen.
Dennoch war Carl tief beunruhigt. Bis auf Jeremiah schien alles um ihn herum rapide zu altern und zu verfallen, an Kraft und Stringenz zu verlieren. Das Licht war kraftloser, die Luft roch schaler. Es roch jetzt nicht nur nach nasser Asche, sondern auch nach Scheiße.
Carl schob die Decke weg und wollte aufstehen, um sich am Spültisch das Gesicht zu waschen. Jeremiah drehte sich halbwach herum, stützte sich auf die Ellenbogen und blinzelte Carl an: »Was is´?«
»Äh, nichts. Nichts Wichtiges. Ich mag mich nur ein wenig frisch machen. Und dann würde ich gerne nach Hause. Mir geht’s nicht so gut.«
»Wir könnten gemeinsam Kaffee trinken und ich fahre dich nachher nach Hause. Oder in die Stadt zurück. Ganz wie du willst.«
Carl schaute zu den beiden Flügeltüren hinter dem Waschtisch. Der Waschtisch stand absurderweise mitten im Zimmer. Links davon befand sich das Doppelbett, indem sie sich geliebt und geschlafen hatten. Der Boden war mit teuren aber völlig verschlissenen Teppichen belegt. Hinter dem Standspiegel, dessen Holzrahmen brüchig und wurmstichig aussah, befand sich eine kleine Teppichinsel und rechts davon ein Kaffeehaustisch und zwei unbequem aussehende Sessel aus Gusseisen.
Carl schob die Gardine, die sich widerwärtig anfühlte, mit den Fingern zur Seite, und schaute durch ein fast blindes Fenster hinaus. Sein Atem beschleunigte sich, sein Herz raste und ihm wurde übel. Da draußen war kein Kiesparkplatz. Auch kein kreisrunder Rasen, in dessen Mitte ein Steinbrunnen stand. Und weiter weg gab es auch keinen Wald mehr – der, durch den sie hierher gekommen waren, war weg. Carl rubbelte sich die Augen und blinzelte. Er spürte Jeremiahs heiße Hand auf seinem Rücken und wie sie ihn zärtlich streichelte. Carl keuchte und deutete hinaus. Er drehte sich halb zu Jeremiah um und fragte tonlos: »Was ist das? Was ist da? Wo bin ich?«
Jeremiah lächelte und blickte auch hinaus durch das schlierig verdreckte Fenster auf die endlosen, schwarzen Schlackehalden. Hunderte Meter hohe, dunkle Hügel und tiefe Halden. Hin und wieder zuckte eine kraftlose, gelbrote Feuersäule aus dem Boden hoch und hinterließ, nachdem sie zurückgesunken war, schweren, öligen Rauch. Was Carl dann mit einem leisen Aufschrei zurück ins Zimmer trieb, war der Anblick eines alten Mannes, der gebückt und in einen dreckigen Mantel gehüllt, einen desolaten Kinderwagen vor sich her schob. Der Alte sah zu ihnen hoch, deutete auf Carl, als ob er ihn hinter der verschmutzten Scheibe sehen könnte, und dann auf den leeren Kinderwagen, dem ein Rad fehlte.
Jeremiah umarmte ihn von hinten, hauchte ihm heißen, feuchten Atem in den Nacken und mit einem Mal erschien Carl dies alles nicht mehr ganz so abstrus. Es war mit Sicherheit nicht seine Welt und sie war sicher nicht real. Aber Jeremiahs Wärme und Nähe war real. Der Traumjunge schmiegte sich von hinten an ihn und rieb seinen erregten Schwanz an Carls Arsch.
»Komm ins Bett, Süßer. Ich will dich noch mal ficken. Mir hat’s gefallen, wie du wimmerst, wenn ich dich nehme. Komm jetzt.«
Er umfasste Carl, strich über seine Brustwarzen und nahm sie dann zwischen Daumen und Zeigefinger, um zärtlich daran zu ziehen und sie zu drehen.
Carl ließ sich fast fallen. Die Versuchung, der Wunsch, Jeremiah in sich drin zu spüren, von ihm ausgefüllt zu werden, war einfach überwältigend. Aber er löste sich unsanft aus der Umarmung und sagte:
»Ein anderes Mal. Ich möchte jetzt wirklich von hier weg. Ich werde mich jetzt anziehen und ich brauche auch keinen Kaffee. Fährst du mich? Mir geht’s echt beschissen. Ich glaub, ich bin auf einem ganz üblen Trip gelandet.«
Jeremiah zog eine Schnute, setzte sich aufs Bett und umschlang sich mit seinen Armen. Das sah so hilfsbedürftig und unschuldig aus, dass Carl beinahe schwach geworden wäre. Dann hob Jeremiah den Kopf, funkelte Carl an und sagte leise:
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