Liebe und Marillenknödel
gelifteten Stirn langsam zu rattern beginnt. Aber es ist schon spät, und der Taxi-Messner hat bereits einen schönen Feierabend gewünscht und ist längst auf dem Heimweg. Sie wird hier also nicht mehr so leicht wegkommen.
Hihi – zumindest nicht mit dem Schuhwerk.
» Also dann«, sage ich freundlich. » Sie wollen sich sicher erst einmal frisch machen. Abendessen gibt es bei uns immer pünktlich um halb acht, das ist …«, ich sehe auf die Uhr, » … hach! … schon in zwei Stunden.«
» Cool«, sagt der Typ und lässt sich aufs Bett fallen.
Ich frage mich, ob er noch ein anderes Wort spricht, und wenn ja, welches. Ich meine, irgendwie muss er der Tussi ja mal zu verstehen gegeben haben, dass er zumindest ihren Hintern mag.
» Gut, bis später!«, sage ich. Ich wette, dass die beiden zu spät zum Essen kommen. Wenn überhaupt. Sie sehen eher aus, als würden sie sich ausschließlich von Zigaretten ernähren. Und von ein bisschen Kokain.
Apropos Essen. Gut, dass mir das einfällt. Ich war die letzten Stunden so sehr damit beschäftigt, Gästen Schnäpse in die Hand zu drücken, ihnen die Zimmer zu zeigen und ihnen die Essenszeiten zu erklären, dass ich völlig versäumt habe, mal nachzusehen, wie es Gianni in der Küche so ergeht.
Ich fliege fast die Treppe hinunter, so fix bin ich. Ganz ehrlich, irgendwie lässt meine neue Rolle meinen Adrenalinspiegel richtig in die Höhe schnellen. Wenn ich gewusst hätte, wie wohl ich mich als Gastgeberin fühle! Die allermeisten Gäste sind nämlich längst nicht so unterkühlt wie das Paar von gerade eben. Die meisten sind freundliche Menschen mit gesunder Hautfarbe, die in Begeisterung ausbrechen, wenn sie endlich auf dem Berg angekommen sind und staunen, wie schön und ruhig hier alles ist. Sie machen » Ah!«, wenn sie auf ihr Zimmer kommen, und » Oh!«, wenn sie auf den Balkon treten und den Ausblick sehen, und zucken lächelnd mit den Schultern, wenn sie erfahren, dass sich die Badezimmer tatsächlich auf dem Flur befinden.
Nicht einmal das schwule Professorenpaar aus Venedig hat sich beschwert, obwohl ich das kurz befürchtet hatte. Die beiden trugen furchtbar feinen Zwirn und waren gepflegt bis unter die polierten Fingernägel, sodass ich kurz Angst hatte, sie würden ihre Rimowa-Koffer gar nicht erst auspacken, sondern gleich das Taxi zurück ins Tal bestellen. Aber nichts dergleichen. Sie haben sich einfach einen Spaß daraus gemacht, dass es auf den Zimmern nur Waschschüsseln gibt. Der eine steckte seine Hand in einen der Waschlappen und sagte zum anderen: » Kein Problem, Schatz. Ich wasch dich!« Dazu wackelte er vieldeutig mit den Augenbrauen.
Hmpf. Nicht, dass ich das so genau wissen wollte.
Ich öffne die Tür zur Küche und stecke den Kopf herein.
Oh.
» Gianni?«, sage ich, dabei ist nicht zu übersehen, dass die Küche leer ist. Es sieht nicht einmal so aus, als hätte hier heute jemand auch nur einen Topf bewegt.
Ich gehe hinter in den Vorratsraum, aber auch da ist niemand. Natürlich. Ob er beim Kräuterbeet hinterm Haus ist und frischen Salbei pflückt? Ich spähe durchs Fenster, aber da sitzt nur ein Rotkehlchen, das den Kopf nach links und rechts dreht und, als es mich bemerkt, davonfliegt.
Ah, da höre ich doch was – endlich! Ein Wagen kommt näher. Inzwischen erkenne ich das Geräusch: Es ist Jirgls Jeep. Ich sprinte los und stehe nur einen Wimpernschlag später in der Haustür.
Ich hatte recht, es ist Jirgl. Einziges Problem: Gianni sitzt nicht neben ihm. Plötzlich bekomme ich ein ganz schlechtes Gefühl.
Jirgl steigt aus und kommt auf mich zu. Sein Gesicht ist ganz grau und völlig unbewegt. Irgendetwas ganz, ganz Schlimmes ist passiert, so viel ist sicher.
» Wo ist Gianni?« Ich bekomme die Frage kaum heraus und spüre, wie die Stille, die ihr folgt, anfängt zu vibrieren.
» Weg«, sagt Jirgl, und ich merke, dass er kurz davor ist zu zittern.
» Was?«
Ich starre Jirgl an und er mich. Erst eine gefühlte Ewigkeit später platzt es aus ihm heraus:
» Wir waren erst beim Großmarkt, da war er schon so komisch. Da ist er nur so nervös hin- und hergelaufen, so, als wüsst’ er ned, was er kaufen will. Und ich hab die ganze Zeit zu ihm gesagt, kimm, Gianni, schlain di’, aber er ist bloß immer so komisch hin und her und hat irgendwelches Zeug in den Wagen gelegt. Aber mei, da hab ich mir noch nix gedacht, weil er ist halt manchmal bissl schrullig, gell? Aber dann wollten wir wieder huam, und auf dem Weg sind wir beim
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