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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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Bahnhof vorbeigekommen, und er hat gesagt, dass ich anhalten soll …«
    Ich starre auf Jirgls massigen Mund, aus dem die Worte hervorquillen wie Hack aus einem großen Fleischwolf. Die Sätze, die er sagt, verstehe ich durchaus. Trotzdem kann ich ihm kaum folgen.
    » Ich hab gedacht, er will bloß Kippen besorgen oder ein Tuttn-Hefterl oder was, aber plötzlich is er ned wiedergekommen, also bin ich ausgestiegen und ihn suchen gegangen. Und da stand er dann am Automaten und wollt sich eine Fahrkarte ziehen. Gianni, hab ich gesagt, was machst denn da? Aber er hat nicht geantwortet, sondern hat weiter seinen Schotter in den Automaten geworfen. Gianni, mach kein Scheiß, wir brauchen dich da oben, hab ich gesagt, aber er – er wirft einfach eine Münze nach der andern ein. Dass es keinen Sinn hat, hat er gesagt, dass wir eh pleitegehen. Dass er keine Lust mehr hat. Und dass er heim will nach Palermo, zu seiner Familie. Er ist losmarschiert, und ich hab versucht, ihn festzuhalten, aber dann hat er sich losgerissen und ist in einen Zug Richtung Verona gestiegen. Ich hab getan, was ich konnte. Tut mir leid.«
    Jirgl macht ein so treues und zerknirschtes Gesicht, dass ich für den Bruchteil einer Sekunde so etwas wie Sympathie für ihn empfinde, aber wirklich nur für einen Bruchteil, denn plötzlich scheint er hinter meinem Rücken etwas anderes zu sehen, und über seine Visage huscht der Anflug eines Lächelns.
    » Na ja«, sagt er. » Ich pack dann mal die Sachen aus, das Zeug muss ja ins Kühle.«
    Dann fängt er an, den Kofferraum auszuräumen, fast so, als sei überhaupt nichts passiert. Fehlt bloß noch, dass er anfängt fröhlich zu pfeifen.
    Und ich? Ich bleibe in der Türe stehen und sehe ihm zu. Meine Arme sind schwer, meine Beine, mein Kinn. Als hätte man mich in Beton eingegossen.
    Nur langsam fange ich an zu begreifen.
    Gianni. Soll einfach abgehauen sein. Sich davongestohlen haben wie ein mieser Betrüger.
    Aber warum?
    Ich meine, hat er in letzter Zeit nicht sogar viel entspannter gewirkt als sonst? Fast so, als würde er sich … ich weiß, auf Gianni angewendet ist das ein großes Wort, aber es wirkte fast so, als würde er sich auf einen Neuanfang … freuen! Und als ich heute Morgen Jirgl verknackt habe, mit ihm ins Tal zu fahren, da lächelte er – richtig zufrieden!
    Womöglich, weil er wusste, dass das seine Fluchtmöglichkeit war. Dass man sich in Menschen so täuschen kann!
    Zurück nach Palermo. Oh je.
    Das also kommt dabei raus, wenn ich mir einbilde, ich könnte irgendwo die Chefin mimen: Gestandene Männer begeben sich lieber direkt in die Fänge der Mafia, als auch nur einen Tag länger einer Hamburger Lektorin zu dienen.
    Ratlos lasse ich mich auf die Bank sinken, die neben der Eingangstür steht.
    Unmittelbar schrecke ich wieder hoch.
    Wenn Gianni weg ist – was wird denn dann …?
    Oh je. Ich muss mir irgendwann anders Gedanken über die Motive des Kochs machen. Ich habe ein Problem.
    Mit Lichtgeschwindigkeit begebe ich mich in die Küche, wo auf dem Tresen fein säuberlich nebeneinander die Tüten mit den Einkäufen liegen.
    Ich reiße eine nach der anderen auf, stelle all die Päckchen und Pakete nebeneinander. Hinterher bin ich genauso schlau wie vorher. Vielleicht hätte ich mit Gianni besprechen sollen, was er vorhat, statt ihm freie Wahl zu lassen.
    Ich sehe auf die Uhr. Es ist achtzehn Uhr.
    Fuck. Ich habe noch eineinhalb Stunden.
    Erschrocken überschlage ich meine Möglichkeiten, was weder anspruchsvoll noch zeitaufwändig ist, denn es sind nicht viele. Also:
    Ich habe einmal etwas gegessen, das Frau Jirgl gekocht hat – Nudeln in einer säuerlich-wässrigen Sauce, in der Pilze, Speckwürfel und Essiggurken schwammen.
    Ich habe keine Lust auszuprobieren, ob sich bei ihr seither in Sachen Kochkünste etwas getan hat.
    Und ich habe erst recht keine Lust herauszufinden, was Jirgl zusammenrührt, wenn ich ihn zum Kochen zwinge.
    Mein Blick wandert noch einmal über die Einkäufe auf der Arbeitsplatte. Zur Sicherheit schlage ich noch einmal Johannas Kochbuch auf, aber natürlich finde ich kein Rezept, das zu den Zutaten passt, geschweige denn irgendwie machbar aussieht. Nicht einmal mit Apfelstrudel kann ich mir behelfen, denn unter den Einkäufen sind keine Äpfel. Es gibt also nur eine Möglichkeit.
    Ich nehme die Beine in die Hand und sprinte die Treppe hoch in den ersten Stock. Im Büro sitzt Frau Jirgl, in den Stuhl gefläzt, die Füße auf dem Tisch. Ich sage es ja: Mal ist

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