Liebe und Marillenknödel
sie fleißig bei der Sache – und dann wieder fleißig bei etwas ganz anderem.
» A-D -Magazin«, buchstabiert sie gerade in den Hörer » Eine Architektur-Zeitschrift. Ja! Ich! Nächste Woche!«
Ich baue mich vor ihr auf und gucke so böse drein, dass andere sich bekreuzigen würden.
» Und bei dir, Lissi«, versucht sie, einfach weiterzuplaudern, als ob nichts wäre.
Schlechte Strategie. Denn natürlich weiß sie, dass der Moment, an dem zum ersten Mal seit Jahren wieder Reservierungen reinkommen, nicht exakt der richtige Zeitpunkt ist, endlich mal wieder sämtliche alte Freundinnen durchzutelefonieren.
Ich stemme die Hände in die Hüften und fange ungeduldig an, hin- und herzuwippen. Es ist nicht zu übersehen, dass sie langsam ein schlechtes Gewissen bekommt. Sie zieht die Beine an, so, dass jetzt nur noch ihre Zehenspitzen auf der Tischplatte ruhen.
» Ach, also Lissi, ich merk grad … du, pass auf, ich meld mich mor…« Sie blickt erschrocken auf und sieht meinen Zeigefinger, der auf die Gabel fällt.
Frau Jirgls Mund klappt zu, und ich muss gar nichts weiter sagen – sie verkrümelt sich freiwillig.
Kaum, dass sie draußen ist, wähle ich Sarahs Handynummer.
» Das ist die Mailbox von Sarah Pfeiffer …«
Mist, das hätte ich mir denken können.
Ich warte das Piepsen ab und schildere der Mailbox mein Problem: Unser Koch ist weg, wahrscheinlich für immer, und wir haben das Haus voller Gäste. Es gibt zwar Einkäufe, mit denen ich aber nichts anfangen kann, ganz einfach, weil ich nicht weiß, was man mit Auberginen, Zucchinis und Hähnchen so anstellen könnte.
» Ruf mich unbedingt zurück. Hier in der Pension. Bitte«, sage ich zum Schluss und drücke die Gabel hinunter.
Uffz. Ich hätte genauso gut eine Litfaßsäule um Rückruf anflehen können. Wenn Sarah Schicht im Edelweiß hat, dann liegt ihr Handy ausgeschaltet in einem Spind im Keller, und sie macht es erst wieder an, wenn sie Feierabend hat. Also in frühestens sechs Stunden.
Ich seufze, dann versuche ich es auf ihrem Festnetzapparat. Nicht, dass ich Hoffnung hätte, dass sie an einem Mittwochabend zu Hause sitzt, aber sicher ist sicher.
Ich lasse es klingeln. Beim sechsten Tuten schaltet sich der Anrufbeantworter an. Natürlich.
Mein Finger fällt wie ein Beil auf die Gabel.
Jetzt werde ich wirklich nervös.
Okay, eine einzige, allerletzte Chance habe ich noch. Sarah hat mir vor einiger Zeit mal die Durchwahlnummer des Telefons in der Küche des Edelweiß’ gegeben, nicht, ohne mir einzubläuen, dass diese nur für absolute Notfälle ist.
Aber das hier ist schließlich einer, oder?
Die Nummer habe ich in meinem Handy gespeichert, deshalb laufe ich in mein Zimmer und schalte es an. Dann gehe ich zurück ins Büro und tippe die Nummer in den Festnetzapparat, Ziffer für Ziffer. Es klingelt. Es klingelt und klingelt und klingelt. Ich habe den Finger fast schon wieder auf der Gabel, da geht endlich jemand dran. Leider ohne sich zu melden.
» Hallo?«, sage ich.
Der Lärm im Hintergrund ist so laut, dass ich kaum etwas verstehe. Es klappert und scheppert, irgendwo schreit jemand.
» Hallo? Ich muss ganz dringend mal Sarah sprechen«, sage ich in den Hörer, ohne zu wissen, ob mir am anderen Ende der Leitung überhaupt irgendjemand zuhört, oder ob der Hörer inzwischen irgendwo neben dem Apparat liegt, und meine Worte bloß gegen eine fettige Arbeitsplatte prallen. » Sa-rah Pfei-ffer«, wiederhole ich.
Wieder schreit jemand, und irgendwo im Hintergrund schreit Sarah zurück. Gott sei Dank, sie ist da! Irgendwer ruft ein paar Zahlen dazwischen, es klingt wie an der Frankfurter Börse. Ich kann einen Wasserhahn hören und dann ein sehr, sehr lautes Klopfen. Plötzlich nimmt jemand den Hörer in die Hand.
» Hallo?«, sagt eine Männerstimme.
» Hallo!«, rufe ich erleichtert. » Hier spricht Sophie Harden …« Doch ich werde unterbrochen. Die Stimme sagt:
» Sarah kann jetzt nicht.«
» Aber es ist dringend«, sage ich und versuche, in meine Stimme hineinzulegen, dass es wirklich, wirklich dringend ist. » Sagen Sie ihr, dass Sophie sie sprechen muss! Und dass es furchtbar wichtig ist!«
Der Hörer knallt auf eine Fläche, aber immerhin, er wird nicht aufgelegt. Im Hintergrund herrscht weiterhin Geklappere und Geschrei.
Meine Güte, ich wusste ja, dass es in Profiküchen hektisch zugeht, aber dass es so schlimm ist … die arme Sarah. Jetzt geht irgendwo auch noch ein Elektrogerät an. Es klingt wie ein
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