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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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ich mich wirklich freuen, ans Telefon zu gehen – schließlich tue ich das ja tatsächlich.
    » Nächste Woche? Da muss ich Sie leider enttäuschen, wir sind in der nächsten Zeit völlig ausgebucht … Moment … Nein, wie ich gerade sehe, habe ich leider erst Ende Juli wieder etwas frei … Ja, leider … Ach, natürlich, dann trage ich Sie gern für die zweite Septemberwoche ein … Wie war der Name? Schäfer, gut, das hab ich notiert …«
    Es ist wirklich unfassbar. Ich meine, das AD -Heft mit der Alrein-Geschichte ist noch überhaupt nicht erschienen, und die Leute rennen mir jetzt schon die Türe ein. Schon in der Woche nach dem Shooting wurde ein Hinweis auf den Artikel im Internet vorab veröffentlicht, wo er womöglich nicht für größeres Aufsehen gesorgt hätte, wäre nicht eine Redakteurin aus dem Reise-Ressort der Welt am Sonntag darauf gestoßen. Die hat sofort einen Mitarbeiter geschickt, der eigene Fotos gemacht und dazu eine große Reportage verfasst hat, die gestern erschienen ist. Natürlich habe ich mich gestern gleich frühmorgens ins Auto gesetzt und mir unten im Tal eine Ausgabe besorgt.
    Den Kopf in den Wolken, so lautete die Überschrift des Artikels, der fast eine ganze Seite füllte. Und die Unterzeile ging so: Wie eine junge Pensionswirtin auf 1800 Metern ihr Paradies verteidigt – in einem bislang unbekannten Bau des Architekten Heinrich Hobrecht.
    In der Mitte der Seite war ein riesengroßes Foto von mir und ein fast genauso großes von Alrein, und in dem Text dazu kamen die Worte » traumhaft«, » liebevoll«, » romantisch« und » atemberaubend« vor und unten angehängt war unsere Telefonnummer – für Reservierungen.
    Man kann sich unschwer vorstellen, in welchem Tempo ich den Panda wieder hoch nach Alrein geprügelt habe. Ich sage nur so viel: Hätten wir ein Wettrennen gemacht, der Taxi-Messner hätte Staub gefressen.
    Ich rannte ins Haus, rief Gianni und die Jirgls herbei, klatschte ihnen triumphierend die aufgeschlagene Zeitung vor die Nase und sprintete hoch ins Büro, in Erwartung, dass das Telefon jede Sekunde anfangen würde zu klingeln.
    Was es aber nicht tat.
    Es blieb still, ganz still. Der Apparat, neben dem ich saß, ist ein alter Apparat, wahrscheinlich eines der ersten Modelle überhaupt, die Tasten und keine Wählscheibe mehr hatten. Seine völlig verwickelte Kordel reicht gerade mal so bis zu dem Aktenschrank hinter dem Schreibtisch, deshalb traute ich mich mehrere Stunden lang nicht aufs Klo, aus Angst, den ersten Anruf zu verpassen. Doch das rundliche Gerät blieb völlig reglos, wie eine Schildkröte, die sich im Angesicht einer Katze in ihr Gehäuse verzogen hat, um dort in aller Seelenruhe zu warten, bis der Feind aufgibt und von dannen zieht.
    Eine Stunde verging, dann noch eine. Es wurde Mittag, Abend. Erst, als es bereits dunkel war, kam ich auf die glorreiche Idee, den Hörer abzunehmen. Ich hielt ihn mir ans Ohr und wagte kaum zu atmen.
    Kein Tuten, nichts.
    Mit einem Mal fing mein Herz an zu rasen. Ich warf einen Blick auf den Telefonstecker in der Dose, aber dort schien alles in Ordnung zu sein, also schlüpfte ich in meine Turnschuhe und rannte los. Es war ja nicht so, dass ich im Laufe des Nachmittags nicht des Öfteren darüber nachgedacht hätte, auszuprobieren, ob das Telefon überhaupt funktionierte, aber dann waren mir meine jugendlichen, demütigenden Gänge zur Telefonzelle wieder eingefallen, deshalb hatte ich es lieber gelassen.
    Beim Dreifichtenbänkchen schaltete ich mein Handy ein und wählte die Alreiner Nummer. Es tutete, ganz normal.
    Das konnte nur eines bedeuten.
    Ich rannte wieder hoch, kontrollierte noch einmal alle Anschlüsse und fand schließlich den Fehler. Der Stecker saß zwar in der Steckdose, aber nicht hundertprozentig fest.
    Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, dass wir einen Kobold im Haus haben. Irgendjemanden, der mein Glück verhindern will. So wie mit den Holzpfeilen, die den Weg nach Alrein hinaufwiesen. Vera hatte recht gehabt, sie waren tatsächlich nicht mehr da, irgendjemand musste sie abmontiert haben. Ich fand sie achtlos ins Gebüsch geschmissen, sogar das Schild vom Taxi-Messner. Natürlich schraubte ich die Schilder gleich wieder an, aber seitdem bin ich ständig beunruhigt und fahre alle paar Tage los, um nachzusehen, ob noch alle an ihrem Platz sind. Waren sie bis jetzt, Gott sei Dank. Wer auch immer das war, er hat offensichtlich aufgegeben.
    Aber okay. Das hier war offensichtlich etwas anderes.

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