Liebe und Marillenknödel
sie. Na klar, sie trinkt Kaffee.
» Frau Jirgl, wären Sie wohl so nett, bis heute Abend das Telefon zu überwachen und Reservierungen entgegenzunehmen? Es müssten ja bald die ersten Gäste kommen, die würde ich gern persönlich begrüßen. Ich würde Sie dann erst wieder zum Servieren brauchen – vorausgesetzt, dass Gianni vorher keinen Beistand in der Küche nötig hat.«
Frau Jirgl wird blass. Die Erinnerung daran, dass ich ihren Mann verdonnert habe, heute mit Gianni nach Brixen zu fahren, um Zutaten für ein frisches Abendessen einzukaufen, scheint sie immer noch zu schockieren. Nicht ganz zu Unrecht. Denn ich habe allen offen kommuniziert, dass uns dieser Einkauf zwar knietief in den Dispo treiben wird, dass aber trotzdem nicht gespart werden darf, nicht an den Zutaten fürs Essen. Wenn die Investition in frisches Gemüse ein Fehler war, dann war es definitiv unser letzter. Dann können die Jirgls zusehen, wo sie einen neuen Job finden. Und ich … aber darüber denke ich nicht nach.
Apropos Jirgl und Gianni. Wo stecken die beiden eigentlich? Der rote Jeep steht nicht vor der Tür.
» Müssten die Jungs nicht schon längst zurück sein?«
Frau Jirgl hebt die Schultern und senkt sie wieder. Selbst durch die dicke Schicht Schminke kann man erkennen, dass sie schneeweiß ist im Gesicht. Schneeweiß mit grünen Flecken auf den Augenlidern und Glitzerlippenstift.
» Na, die kommen bestimmt gleich«, sage ich zuversichtlich.
Frau Jirgl nickt langsam. Vielleicht fürchtet sie sich auch nur vor heute Abend? Davor, nach so langer Zeit mal wieder Gäste zu bedienen? Acht Zimmer sind reserviert, wir werden die Bude heute Abend fast voll haben, zum ersten Mal mit mir, der neuen Chefin. Ehrlich gesagt, ich tue auch cooler, als ich bin.
» Machen Sie sich keine Sorgen«, sage ich. » Wenn wir so gut zusammenarbeiten wie in den letzten Wochen, dann schaffen wir den Ansturm heute mit links.«
Ich sehe sie fest an und versuche, ihr ein gutes Gefühl zu vermitteln, aber ich bin mir nicht sicher, ob mir das gelingt. Denn ein ganz klein wenig habe ich selber Muffensausen. Sechzehn Gäste! Und drei Gänge!
Plötzlich höre ich ein Motorengeräusch und Reifen im Kies. Durchs Fenster kann ich erkennen, dass es der Taxi-Messner ist, der die ersten Gäste bringt. Wahrscheinlich das schwule Professorenpaar aus Köln, das gerade für ein Gastsemester in Venedig lebt.
Plötzlich bekomme ich ganz weiche Knie.
Ich nicke Frau Jirgl zu, und sie verschwindet.
Dann nehme ich das Tablett, das Gianni mir bereitgestellt hat. Das mit dem Marillenschnaps und den beiden Gläsern.
18
Die Frau, die vor mir die Treppe hochgeht, hat einen dermaßen kleinen Hintern, dass sie sich Nussschalen umschnallen könnte, und sie würden wie Push-ups wirken. Dasselbe mit dem Dekolleté – das würde eher in die Wüste Sahara passen als in die Dolomiten. Das Einzige, das an ihr wippt, ist der Dutt auf ihrem Hinterkopf, zu dem sie ihr Haar zusammengebunden hat. Ihr Begleiter sieht auch nicht breiter aus – super-slim-fit-Hemd, Haifischkragen, Zigarettenhose. Was an den beiden noch am meisten Volumen hat, sind die Sonnenbrillen. Alles andere ist lang – die Beine, die Arme, die Visagen. Ich bin wirklich nicht sehr dick, aber im Vergleich zu den beiden fühle ich mich wie ein dralles Landmädel mit dicken Fesseln und Backen.
» So«, sage ich fröhlich, als wir im ersten Stock sind, und überhole die beiden. » Und das hier ist Ihr Zimmer.« Ich öffne die Tür und lasse die beiden eintreten. » Wie gesagt, es ist ganz einfach.«
» Cool«, sagt der Typ und schmeißt seine Reisetasche in eine Ecke. Die Frau stakst ein paar Schritte ins Zimmer hinein. Der Designer ihrer Schuhe muss auf LSD gewesen sein. Normale Absätze gehen ja mehr oder weniger gerade nach unten – bei ihr knicken die Heels seltsam ab in Richtung Fußspitze. Sie sehen aus, als könne man sich allenfalls wie eine Primaballerina darin fortbewegen.
Misstrauisch sieht sie sich um. Mein Blick folgt ihrem. Das Bett, der Tisch, der Schrank, die Kommode mit dem Waschkrug und der Schüssel. Es ist alles sauber und freundlich, aber das scheint der Tussi nicht zu genügen.
» Wo ist das Bad?«, fragt sie, nachdem sie auch noch durch das perfekt polierte Fenster gesehen hat.
» Dritte Tür links«, sage ich gelassen und zeige durch die geöffnete Zimmertür in Richtung Flur.
» Oh«, sagt sie. Einen Augenblick später kann ich ganz deutlich beobachten, wie es hinter ihrer vom Dutt
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