Liebe und Vergeltung
der Peinlichkeit haben, doch danach kann es mir gleich sein.“
„Wäre es dir lieber, wenn ich nicht von deiner Seite weiche?“ fragte Mikahl verständnisvoll.
„Das ist nicht nötig.“ Sara schüttelte leicht den Kopf. „Sir Charles ist zu stolz, um mir eine Szene zu machen. Außerdem kannst du nicht dauernd bei mir sein, weil Vater dich einigen seiner Bekannten vorstellen möchte.“
„Ach, will er öffentlich bekunden, daß er mich als Schwiegersohn gutheißt?“ fragte Mikahl belustigt. „Ich dachte, mit seinen Bestrebungen, mich bei Hofe eingeführt zu wissen, hätte er seiner Pflicht bereits Genüge getan.“
„Auch Vater hat seinen Stolz“, entgegnete Sara und lächelte den Gatten zärtlich an. „Selbstverständlich möchte er nicht, daß man glaubt, er mißbillige meine Ehe. Wie fandest du eigentlich Königin Victoria? War die Vorstellung bei Hofe für
dich sehr anstrengend?“
„Nun, es war eine interessante Erfahrung, die ich allerdings nicht unbedingt wiederholen möchte“, gestand Mikahl schmunzelnd. „Unter all den Leuten, vermutlich waren es mehr als zweihundert, kam ich mir irgendwie ganz verlassen vor. Wäre es in deinen Augen Hochverrat, wenn ich sage, daß Ihre Majestät einen Blick für gutgewachsene Männer zu haben scheint?“
„Um Himmels willen, äußere das nur nie an anderer Stelle!“ erwiderte Sara lachend. „Aber ich gebe dir recht, und du solltest Verständnis für die Königin haben. Schließlich ist sie knapp zwanzig Jahre alt und erst seit kurzem in Herzog Albert von Sachsen-Coburg-Gotha verliebt. Und von ihm kann man wirklich nicht behaupten, daß er schlecht aussieht. Ich bin neugierig, ob sie ihn heiraten wird.“
„Nun ja, er ist recht attraktiv“, räumte Mikahl ein. „Wie ich gehört habe, soll er ein guter Reiter und ein hinreißender Tänzer sein.“
„Das stimmt“, bestätigte Sara. „Außerdem beherrscht er vier Sprachen, spielt vorzüglich Orgel und beschäftigt sich gern mit Architektur. Wer weiß, welche Paläste er erbauen lassen wird, falls er der Gemahl der Königin wird! Ach, soeben fällt mir etwas ein, das ich dir gegenüber noch nie erwähnt habe. Bevor ich dich kennenlernte, hatte Königin Victoria mich aufgefordert, eine ihrer Hofdamen zu werden. Fast hätte ich zugestimmt, doch nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluß, daß es besser wäre, auf die hohe Ehre zu verzichten. Im Dienst der Königin hätte ich zuviel stehen müssen, und das wäre für mein rechtes Bein nicht gut gewesen. Manchmal hat es sogar Vorteile, wenn man behindert ist.“
„Ich kann mir denken, wie ermüdend das Leben bei Hofe sein muß“, meinte Mikahl verständnisvoll. „Ich finde ja schon die Geselligkeiten des ton strapaziös und langweilig. Glaub mir, ich bin froh, wenn wir wieder in Sulgrave sind.“
„Wie gut, daß du so geduldig bist und mich zu all diesen eintönigen Festlichkeiten begleitest“, erwiderte Sara und schaute den Gatten nachdenklich an. „Sehnst du dich nicht manchmal nach dem sicher sehr viel schlichteren Leben in Kafiristan?“
„Nein“, antwortete er fest, ergriff Saras Hand und drückte ihr einen Kuß auf die Fingerspitzen. „Und sollte ich mich hier je langweilen, rufe ich mir einfach ins Gedächtnis, welch zauberhafte Gemahlin ich habe und wie wunderbar es ist, des Nachts mit ihr zusammenzusein.“
„Du hast sehr unschickliche Gedanken“, murmelte Sara errötend.
„Warum nicht?“ Amüsiert hob Mikahl eine Braue. „Ich war der Ansicht, du wüßtest es zu schätzen, daß ich kein prüder Mensch bin. Oder irre ich mich?“
Sara schüttelte den Kopf.
„Du siehst entzückend aus, wenn du errötest“, sagte Mikahl und streichelte Saras Hand. „Müssen wir bis zum Schluß des Balles bleiben, oder können wir uns vorher entfernen, ohne unhöflich zu wirken? Ich würde mir dein Erröten gern etwas näher und vor allem ungestört betrachten.“
„Nun, zumindest eine Stunde sollten wir anwesend sein“, antwortete Sara lächelnd.
Endlich hielt die Equipage, und ein Lakai öffnete den Wagenschlag. Mikahl stieg aus und half seiner Gattin aus der Karosse. Durch ein Spalier livrierter Diener das riesige, hochgewölbte und mit goldgerahmten Medaillons geschmückte Treppenhaus betretend, reihten der Prinz von Kafiristan und seine Gemahlin sich in die Schlange der Gäste ein, die darauf warteten, von den Gastgebern begrüßt zu werden.
Blumengirlanden zierten die prunkvolle Treppe; der flirrende Schein
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