Liebe und Vergeltung
„Selbst wenn ich nie sehr hohe Erwartungen hatte! Mich erschüttert jedoch weitaus mehr, mit welcher Skrupellosigkeit du deinen Krieg gegen Charles führst! Unzählige Unbeteiligte sind allein von der Tatsache betroffen, daß du die L & S in den Bankrott treibst.“
„Spekulanten verdienen Geld, wenn sie den richtigen Instinkt für den Markt haben“, erwiderte Michael achzelzuckend. „Und sie verlieren es, wenn sie kein Gespür haben. Daran läßt sich nichts ändern.“
„Es sind nicht nur Leute, die reich genug sind, sich Aktien zu kaufen!“ hielt Sara erbost dem Gatten vor. „Wußtest du, daß Gates seine gesamten Ersparnisse in Anteile der L & S investiert hat, im Vertrauen auf deinen untrüglichen Geschäftssinn?“
„Nein, das war mir nicht bekannt“, antwortete Michael überrascht. „Ich werde ihn für Verluste entschädigen, die ihm entstanden sind.“
„Ihm hilft das, aber all den anderen nicht, die wie er große Einbußen hinnehmen mußten!“
„Sie sind ein Risiko eingegangen und müssen wie jeder andere, ob reich oder arm, die Folgen tragen.“
„Niemand konnte ahnen, daß er Wertpapiere einer Gesellschaft kauft, die dir nur als Waffe gegen Charles dient!“ erregte sich Sara. „Es ist schlimm genug, daß du den Bankrott der Eisenbahngesellschaft betrieben hast, doch viel unverzeihlicher finde ich deine Untätigkeit hinsichtlich dieser abscheulichen Freudenhäuser. Du hättest dafür sorgen müssen, daß sie geschlossen werden, zumindest das widerwärtige Etablissement, in dem Jenny eingesperrt war!“
„Ich habe auf den richtigen Zeitpunkt gewartet“, verteidigte sich Michael.
„Das ist unfaßbar!“ Empört warf Sara das Dossier auf den Tisch und sprang auf. „Seit Monaten weißt du von dem schändlichen Treiben in diesem Haus und hast nichts unternommen, es zu unterbinden! Nacht für Nacht mußten Mädchen wie Jenny die Grausamkeiten lüsterner Männer ertragen!“
„Ihr habe ich geholfen“, gab Michael zu bedenken, da ihm keine bessere Antwort einfiel.
„Das war nicht genug! Sie ist nur eine von vielen, die noch darunter leiden müssen, daß du genüßlich jeden Moment deines Rachefeldzuges gegen Charles auskostest.“
„Die Welt ist voll des Bösen“, entgegnete Michael grimmig. „Ich werde es nicht ausräumen können. Hätte ich Mrs. Bancrofts Etablissement schließen lassen, wäre eine Woche später
ein anderes aufgemacht worden.“
„Du begreifst nicht, worum es mir geht“, erwiderte Sara verbittert. „Du hast kein Verständnis für Schwache und Machtlose, weil du stark bist und dich durchzusetzen verstehst. Sicher, du hilfst jemandem, den du kennst, aber alle übrigen sind dir gleich.“
„Warum sollte ich mich um jeden kümmern? Es reicht, wenn ich für die Menschen meiner Umgebung sorge. Ich habe nie jemandem Schaden zugefügt, der es nicht verdient hätte.“ Plötzlich hatte Michael das Gefühl, daß ihm zu warm wurde. Er legte das Jackett ab und warf es über die Balustrade.
„Das ist keine Entschuldigung!“ sagte Sara kopfschüttelnd und begann, erregt auf und ab zu gehen. „Nichts, was Charles dir angetan haben könnte, rechtfertigt das rücksichtslose Verhalten, das du für andere an den Tag legst.“
„Du irrst, meine Liebe!“ erwiderte Michael aufgebracht. Es ärgerte ihn, daß sie, die ganz ahnungslos war, solche Behauptungen in den Raum stellte. „Was immer Weldon widerfährt, ist nicht genug, das zu vergelten, was ich durch ihn erdulden mußte. Jahrelang hielt nur der Gedanke mich am Leben, Weldon eines Tages genauso leiden zu sehen, wie er mich gequält hat, dabei zu stehen und den Anblick zu genießen!“
„Und deshalb willst du Elizabeth in ein Freudenhaus verschleppen?“ Sara blieb vor Michael stehen und sah ihn fassungslos an. „Als ich das las, traute ich meinen Augen nicht!“ „Ich habe Weldons Tochter ja nicht entführt. Es stimmt, ich habe mit der Idee gespielt, mich jedoch dafür entschieden, Elizabeth nur einige Tage verschwinden zu lassen und Weldon glauben zu machen, sie wäre in einem Bordell. Das reicht, ihn zu peinigen, ohne daß ihr etwas geschieht.“
„Wahrscheinlich muß ich dankbar sein, daß du ihr einmal begegnet bist“, sagte Sara hart. „Sonst hättest du deine ursprünglichen Absichten wahrscheinlich bedenkenlos ausgeführt, wäre sie nur ein Name für dich gewesen! Lieber Himmel, mich entsetzt die Vorstellung, wozu du fähig bist! Was ist nur aus dir geworden? Ein gefühlloser Rohling!“ Brüsk
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