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Liebe und Vergeltung

Titel: Liebe und Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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und ging zum Bureau.
    Sie zündete die Schreibtischlampe an, zog an der rechten obersten Schublade und fand sie verschlossen. Zum ersten Male tat sie dann etwas, das sie früher auch nicht für möglich gehalten hätte. Sie löste eine Haarnadel aus den Locken, hielt den Leuchter tiefer, damit genügend Licht auf das Schloß fiel, und probierte so lange, es zu öffnen, bis der Schnappverschluß endlich zurücksprang.
    Ein Dossier lag in dem Gefach. Entschlossen nahm sie die Schriftstücke an sich, schob die Lade zu und löschte die Lampe. Den Leuchter in der anderen Hand tragend, verließ sie das Arbeitszimmer und ging ins Schlafgemach. Sie machte Licht und entkleidete sich. Nachdem sie in das Nachthemd geschlüpft war, hüllte sie sich in ein Deshabille aus blauer Seide, setzte sich vor dem Bettalkoven in einen Sessel und begann in den Unterlagen zu lesen.

27. KAPITEL
    In der Dunkelheit schlug eine Uhr viermal, als Michael durch den hinteren Eingang ins Haus zurückkehrte. Im Schein des Mondes eilte er die Treppe zu seinem Ankleidekabinett hinauf, entledigte sich rasch der verschmutzten Sachen und zog sich um. Die abgelegten Kleidungsstücke verbarg er in den Tiefen des Schrankes, begab sich dann leise zu Alastairs Zimmer und öffnete behutsam die Tür.
    Zu seiner Verwunderung sah er, daß Mrs. Adams bei dem Kranken saß und eingenickt war. Offenbar hatte Alastairs Zustand sich nicht verschlechtert, denn sonst wäre sicher Sara bei ihrem Cousin gewesen.
    Sacht schloß er die Tür und suchte das Schlafgemach auf. Er hatte erwartet, Sara im Bett vorzufinden, und war überrascht, sie lesend anzutreffen.
    Sie ließ das Blatt in den Schoß sinken, blickte auf und schaute Michael vorwurfsvoll an.
    Sofort hatte er ein ungutes Gefühl und fragte, um Zeit zu gewinnen: „Ich nehme an, Alastairs Befinden hat sich gebessert?“
    „Ja“, antwortete sie frostig. „Sogar so weit, daß er mir einige sehr interessante Dinge erzählt hat. Wahrscheinlich stand er noch unter dem Einfluß des Laudanums, das ich ihm gegeben hatte.“ Sara wies auf das Dossier. „Würdest du mir bitte erklären, was du mit Charles vorhast und warum du ihn so verfolgst?“
    In übertriebenem Erstaunen hob Michael eine Braue und sagte spöttisch: „Wie ich sehe, schnüffelt die tugendhafte Lady Sara in meinen privaten Unterlagen. Das hätte ich nicht vor dir gedacht!“
    „Versuch nicht, vom Thema abzulenken!“ entgegnete sie scharf. „Du hast es dir selbst zuzuschreiben, wenn mein Benehmen zu wünschen übrig läßt! Um Himmels willen, was ist nur in dich gefahren? Wie viele Menschen müssen unter deinem Rachefeldzug gegen Charles leiden?“
    „Er bekommt nur die gerechte Strafe“, antwortete Michael gleichmütig und setzte sich in den anderen Fauteuil.
    „Wer gibt dir das Recht, dich als Rächer, Richter und Henker aufzuspielen?“ fragte Sara zornig.
    „Du siehst die Sache vom falschen Standpunkt“, erwiderte Michael gelassen. „Was für die Justiz gilt, muß auch dem Einzelnen recht und billig sein dürfen. Eine Bestrafung wird nicht allein deshalb zu einer moralischen Tat, nur weil ein Gericht sie verhängt. Den gleichen Anspruch kann jeder erheben, der berechtigte Vergeltung übt.“
    „Erspar mir deine Wortklaubereien!“ brauste Sara auf. „Deine Einstellung ist anarchisch, und dein Krieg gegen Charles hätte Alastair fast das Leben gekostet! Wenn du willst, daß Charles für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird, dann übergib dein Beweismaterial der Polizei. Mir scheint, du hast genügend gegen ihn in der Hand, um ihn bis an das Ende seiner Tage ins Gefängnis zu bringen.“
    „Das wäre zu wenig für diesen Unmenschen“, widersprach Michael kalt. „Ich will, daß er leidet! Ich habe mir geschworen, ihm alles zu nehmen, das ihm lieb und teuer ist. Und genau das habe ich getan.“
    „Das ist mir nicht entgangen“, stellte Sara in bitterem Ton fest. „Ich habe gesehen, daß auch ich davon betroffen war. Aber so weit, mich zu heiraten, hättest du nicht gehen müssen. Es hätte genügt, die Verlobung mit Charles zu beenden.“
    „Was ihn betrifft, stimme ich dir zu“, räumte Michael ein und hoffte, die nächsten Worte würden Sara beschwichtigen. „Aber ich habe dich nicht geheiratet, um ihn noch mehr zu verletzen, sondern weil ich dich wollte“, fügte er ruhig hinzu.
    „Natürlich ärgert es mich, meinen Namen auf dieser Liste zu finden“, entrüstete sich Sara und klopfte erbost auf das oberste Blatt Papier.

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