Liebe und Vergeltung
Pferd bezähmen, Sie setzen sich auch tapfer über alle gesellschaftlichen Spielregeln hinweg.“
„Das ist nicht mein Verdienst“, erwiderte Sara trocken. Sie wußte am besten, daß ihr Verhalten skandalös war. Wenn der Vater erfuhr, daß sie, seine Tochter, mit einem ihr nur flüchtig bekannten Mann ausgeritten war, noch dazu in dieser Form und als Verlobte eines anderen, würde er schockiert sein, genau wie ihre Freunde und Bekannten. Dennoch hatte sie nicht das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun. Prinz Balagrini kam aus einer anderen Welt, hatte nach gänzlich unterschiedlichen Vorstellungen und Normen gelebt. Ihm konnte man nicht verargen, daß er gegen europäische Konventionen verstieß.
Zudem war er ein attraktiver Mann. Anfänglich hatte sein gutes Aussehen sie nur beeindruckt, so wie es jeder Frau ergehen mußte, doch nun fühlte sie sich erregt durch die intime Nähe zu ihm, von seiner faszinierenden männlichen Sinnlichkeit, durch den Gedanken, sich an ihn zu schmiegen und ihm hinzugeben. Unwillkürlich errötete sie und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Er würde sich ohnehin nicht für jemanden wie sie interessieren, eine Frau, die nicht mehr die jüngste und auch nicht die hübscheste war. Mit leichtem Bedauern erkannte sie, daß sie sich mit seiner Freundschaft begnügen mußte, aber das war sicher nicht die schlechteste Lösung.
Er lenkte den Hengst zum Ausgang des Parkes zurück und fragte warmherzig: „Haben Sie jetzt die Angst vor Pferden verloren? Werden Sie in Zukunft wieder reiten?“
„Ja“, antwortete Sara überzeugt. „Nun weiß ich, wie sehr ich es vermißt habe.“
„Bei Tattersall gibt es eine Rotfuchsstute, die mir für eine Dame sehr geeignet erscheint. Gestatten Sie, daß ich sie Ihnen kaufe?“
„Nein!“ lehnte Sara scharf ab. „Ein solches Geschenk kann ich nicht annehmen.“
„Warum nicht?“ Mikahl war verblüfft. „Würde man Sie ächten? In die Verbannung schicken? Ihnen den Zutritt zum Palast der Königin verwehren?“
„Diesmal wird es Ihnen nicht gelingen, mich zu überreden“, erwiderte Sara entschlossen. „Ich bin nicht auf die Stute angewiesen und verbiete Ihnen, sie mir zu schenken. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“
„Ja“, antwortete Mikahl schmunzelnd. „Ich weiß, wann ich nachzugeben habe.“ Lady Saras Freimütigkeit und Standfestigkeit gefielen ihm. Auf dem Weg zur Reitbahn nahm er sich vor, die Tochter des Duke of Haddonfield nicht nur von Weldon zu trennen, sondern sie auch zu bewegen, das Lager mit ihm zu teilen. Er war sicher, dieses Erlebnis würde für sie beide eine unvergeßliche Erfahrung sein.
5. KAPITEL
Wie vorgesehen suchte Mikahl Khanauri am Dienstag abend den City of London Club auf, um sich mit Sir Charles Weldon zum Souper zu treffen. Slade hatte ihm erklärt, daß dort Mitglieder der Regierung, hochrangige Persönlichkeiten der Gesellschaft und die bedeutendsten Kaufleute verkehrten. Auch ohne diesen Hinweis hätte Mikahl gesehen, warum der Baronet den Club bevorzugte. Allein das imposante Gebäude verströmte den Eindruck von Geld und Macht.
In den vergangenen drei Tagen hatte Mikahl seinen Zorn auf Weldon gemäßigt und beschlossen, ihm mit größter Gelassenheit zu begegnen. Die Situation entbehrte nicht eines prickelnden Reizes, wie der Moment vor einem wichtigen Zug beim Schach. Die Motive des Baronet lagen auf der Hand. Er sah in Mikahl einen finanzstarken Geldgeber, den es zu Investitionen zu überreden galt. Mikahl hingegen verband vielschichtigere Absichten mit diesem Treffen. Ihm lag daran, seinem Feind Sand in die Augen zu streuen, sich mit ihm anzufreunden und so in die Lage zu kommen, die Schwächen des Gegners zu erkunden und sich zunutze zu machen.
Das Dinner verlief in angenehmer Atmosphäre. Man plauderte über Belanglosigkeiten und zog sich dann in einen stillen Winkel des Rauchsalons zu einem Glas Port und einer guten Zigarre zurück.
„Wenn Sie in England gewinnbringend investieren wollen, Hoheit“, sagte der Baronet und blies genüßlich den Rauch vor sich hin, „sollten Sie Ihr Geld bei der Eisenbahn anlegen. Sie ist das Verkehrsmittel der Zukunft, das bereits viele Leute reich werden ließ und auch weiterhin die besten Profite bietet. Ganz sicher noch in den nächsten zehn Jahren.“
Mikahl wußte, daß es wichtig war, nicht als tumber Tor zu gelten, dem man das Fell über die Ohren ziehen konnte. „So mancher allzu Vertrauensselige hat aber auch sein gesamtes Vermögen
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