Liebe und Vergeltung
Prinz Balagrini gelassen. „Verzeihen Sie, falls ich Sie betrübt habe. Wir können uns gern über ein unverfänglicheres Thema unterhalten. Das gemietete Gespann zum Beispiel ist nicht nach meinen Vorstellungen. Wo könnte ich bessere Pferde erstehen?“ „Bei Tattersall, in der Nähe von Hyde Park Corner. Das Haus hat einen exzellenten Ruf und bringt die rassigsten Pferde zur Auktion. Es gilt als chic, dort gesehen zu werden. Vielleicht kann Alastair Sie nachmittags hinbegleiten. Wenn Sie heute die Gelegenheit nicht wahrnehmen, müssen Sie eine volle Woche warten, da im Sommer der Montag der einzige Verkaufstag ist.“
„Wir sind fast da“, bemerkte der Prinz. „In welche Richtung muß ich fahren?“
„Nach links“, erklärte Lady Sara. „Zum Upper Grosvenor Place. Aber Sie können jetzt nicht dorthin. Das heißt, ich kann nicht mit Ihnen fahren.“
„Warum nicht?“ erkundigte Mikahl sich erstaunt und lenkte die Karriole in die angegebene Richtung.
„Weil es sich für eine Dame nicht schickt“, erläuterte Lady Sara. „Tattersall ist fast wie ein Club. Die Männer suchen die Pferdebörse auf, um Freunde zu treffen, Wettschulden zu begleichen und über Rennen zu reden. Eine Dame ist dort wirklich fehl am Platz.“
„Und was würde geschehen, wenn Sie dennoch bei mir bleiben? Würde man Sie steinigen?“
„Selbstverständlich nicht!“
„Es gibt auch kein Gesetz, das Ihnen den Zutritt verbietet, nicht wahr? Oder würde man Sie verhaften?“
„Weder das eine noch das andere.“
„Dann begreife ich nicht, warum Sie mich nicht begleiten wollen.“
„Weil es sich nicht gehört“, erwiderte Sara, durch die Beharrlichkeit des Prinzen leicht gereizt. „Alle Leute würden schockiert sein und mich anstarren!“
Mikahl fühlte sich versucht herauszufinden, ob Lady Sara wirklich so viel Wert auf die Meinung ihrer Umgebung legte. Unfähig, den Wunsch zu bezähmen, sagte er achselzuckend: „Natürlich werde ich Sie nicht zwingen, mit mir zu Tattersall zu fahren, wenn Sie nicht mitkommen möchten. Aber ist es Ihnen so wichtig, was andere über Sie denken?“ Nachdenklich schwieg Sara einen Moment, ehe sie ruhig antwortete: „Mir liegt nur etwas an der Meinung meiner Familie und meiner Freunde. Es lebt sich jedoch leichter, wenn man die gesellschaftlichen Spielregeln beachtet.“
„Das mag stimmen, aber es ist sehr viel langweiliger. Haben Sie sich denn nie gefragt, was Männer eigentlich in ihren geheiligten Clubs treiben?“
„Sie sind unmöglich, Sir“, sagte Lady Sara und schüttelte lachend den Kopf. „Es wird mir nie gelingen, Sie zu einem geschliffenen englischen Gentleman zu machen. Im Gegenteil, Sie gefährden meinen Ruf.“
Sie war eine bezaubernde Frau, so herzerfrischend und freimütig, und durfte Weldon keineswegs in die Hände fallen. „Meine liebe Lady Sara“, fragte Mikahl schmunzelnd, „würden Sie mir denn gestatten, Ihren Ruf zu gefährden?“
Jäh erstarb ihr Lachen, und sekundenlang sah sie sehr überrascht aus. Dann lächelte sie wieder und sagte entschlossen: „Ich begleite Sie, Sir. Biegen Sie hinter dem St. George Krankenhaus nach rechts ab.“
Mikahl war sehr zufrieden. Offenbar hatte sie sich gefragt, ob seine Frage mehr war als nur bloßes Getändel. Aber es schien ihr nicht in den Sinn gekommen zu sein, daß er unlautere Absichten hegte.
Am späten Vormittag ging es in der Pferdebörse noch recht ruhig zu. Dennoch starrten selbst die wenigen Anwesenden das Paar an, das den Innenhof betrat.
„Sie hatten recht, Madam“, murmelte Mikahl amüsiert. „Mir scheint, bei Ihrem Anblick stockt hier so manchem das Herz.
Man könnte meinen, die Herren hätten noch nie eine Frau gesehen. Und ich dachte, die Engländer seien ein liberales Volk. Nun fühle ich mich an die Türkei erinnert, wo die Frauen verschleiert sein müssen, damit kein Mann ihr Gesicht sieht. Eigentlich sollten die Männer hier sich hinter einem Schleier verbergen, damit nur ja kein weiblicher Blick sie trifft!“
„Ich glaube, die Gentlemen hier wären erst zufrieden, wenn sie zwinkern und mich dann plötzlich nicht mehr sehen würden“, erwiderte Lady Sara erheitert. „Vielleicht argwöhnen sie, auf der Stelle zu Stein verwandelt zu werden, wenn sie mich anschauen. Wie gut, daß ich nicht Medusa bin! Peinlich ist nur, daß die meisten Herren entfernte Verwandte oder Bekannte sind. Ihr Entsetzen wäre gewiß nur halb so groß, wäre ich vom Ballett oder Theater.“ Neugierig schaute Sara
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