Liebe und Vergeltung
ist es auch besser.“
„Wie gut, daß ich keine Verwandten habe“, sagte Mikahl und lächelte flüchtig.
Alastair warf ihm einen erstaunten Blick zu. „Nein? Zählst
du deine Familie in Kafiristan nicht dazu?“
Sekundenlang war Mikahl um eine Erklärung verlegen. „Ich bezog mich auf Angehörige, die in meiner unmittelbaren Umgebung leben und mir Ärger machen könnten“, äußerte er dann, hob leicht die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Nicht auf solche, die fünftausend Meilen entfernt leben. Ich nehme an, deine Gäste werden sich wundern, was vorgefallen ist“, fügte er hinzu, während er aufstand, sich streckte und das Gesicht verzog, da alle Muskeln ihm weh taten. „Weldon ist gewiß längst wutschnaubend abgereist und schon halb in London. Ich halte es für richtiger, in Sulgrave Manor zu übernachten. Es ist ohnehin nur eine halbe Reitstunde entfernt.“ „Feigling!“ erwiderte Alastair und wurde sich bewußt, was ihm nach dem Verlassen der Bibliothek bevorstand.
.Ausnahmsweise hast du recht“, stimmte Mikahl lächelnd zu. „Du kannst jedoch nicht leugnen, daß meine Abwesenheit dir die Sache erleichtert. Wenn ich deiner Cousine morgen die Aufwartung mache, werde ich so wenig Aufhebens wie möglich machen.“
„Ich werde meine Mutter in groben Zügen einweihen und bin sicher, sie wird mit viel Geschick und Taktgefühl dafür sorgen, daß unsere Hausgäste Chapelgate Court bis zum Abend verlassen haben.“
„Hast du mir verziehen, daß wir uns geprügelt haben?“ fragte Mikahl belustigt und richtete die in Unordnung geratene Kleidung her.
Alastair lächelte. „Ist meine Meinung von Bedeutung?“ „Ja“, antwortete Mikahl fest.
„Dann vergebe ich dir“, sagte Alastair und erhob sich ächzend. „Falls wir wieder Meinungsverschiedenheiten haben sollten, halte ich es beim nächsten Mal jedoch für angebrachter, uns wie Erwachsene auszusprechen, statt uns wie Kinder auf dem Boden herumzuschlagen!“
„Das ist kein schlechter Gedanke“, erwiderte Mikahl schmunzelnd. „Aber bei weitem nicht so unterhaltsam!“ Er nickte dem Freund zu und verließ die Bibliothek.
Erschöpft nahm Alastair wieder auf dem Sofa Platz. Noch fühlte er sich nicht fähig, dem ihm bevorstehenden Schrecken entgegenzutreten. Welch ein Glück, daß seine Mutter in Chapelgate war. Sie würde die Wogen glätten. Und wie gut war es jetzt, daß ein plötzlicher Gichtanfall den Vater am Kommen verhindert hatte! Für den alten Mann wäre die Aufregung sicher zuviel gewesen.
Flüchtig überlegte Alastair, ob er zu Sara gehen und sich nach ihrem Befinden erkundigen sollte. Dann ließ er den Gedanken fallen, da sie erklärt hatte, daß sie nicht gestört werden wollte. Unter den gegebenen Umständen war er es ihr schuldig, ihre Wünsche zu respektieren. Oberflächlich gesehen, war die Vorstellung, daß sie Mikahls Gemahlin werden könnte, sicher absurd, doch bei näherer Betrachtung nicht mehr so absonderlich. Vielleicht ging die Sache sogar gut. Wenn jemand imstande war, Mikahl zu zähmen, dann Sara. Sie konnte genauso halsstarrig sein wie er, nur war sie es auf eine sanftere, zurückhaltendere Weise.
Je länger Alastair über sie nachgrübelte, desto deutlicher kam ihm zu Bewußtsein, daß sie sich verändert hatte, seit sie Mikahl kannte. Die Lebensfreude, die sie als Folge des Reitunfalles verloren zu haben schien, war zurückgekehrt. Sie schien aufzublühen, lachte wieder und war selbst zu Scherzen aufgelegt. Vielleicht gelang es ihr, sich im Zusammensein mit Mikahl die neugewonnene Lebensfreude zu bewahren.
14. KAPITEL
Sara war es gelungen, unbemerkt das Boudoir aufzusuchen. Sie läutete der Zofe und erklärte ihr, sie hätte Kopfschmerzen und wollte sich zeitig zur Ruhe begeben. Nachdem sie ausgekleidet war und Doreen fortgeschickt hatte, sank sie in einen Fauteuil, zog das azurblaue Deshabille vor der Brust zusammen und schloß erschöpft die Augen.
Noch immer zitterte sie innerlich, und das Bild der drei Männer, die sie fassungslos anstarrten, wollte nicht weichen. Weldons gemeine Worte hallten ihr in den Ohren nach, und die harten Worte des Vaters taten ihr nach wie vor weh.
Prinz Balagrini hatte nicht überrascht gewirkt, als die drei Herren in die Bibliothek kamen. Unwillkürlich hatte Sara das Gefühl gehabt, er wäre ganz damit einverstanden gewesen, gestört zu werden, und jäh war ihr bewußt geworden, daß der Zwischenfall absichtlich herbeigeführt worden sein mußte. Alastairs Miene
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