Liebe und Vergeltung
fest.
„Das ist ein herrlicher Park“, äußerte Mikahl, bewußt das Thema wechselnd. Bewundernd blickte er auf die farbenprächtigen Stauden, die inmitten weiter Rasenflächen blühten. Ein Bach, umstanden von hohem Schilf und Ried, floß durch ausgedehnte Wiesen, die hin und wieder von Baumgruppen unterbrochen wurden, und mündete in einen kleinen, in der Sonne schimmernden See.
„Ja“, stimmte Sara zu und fühlte, daß sie sich mehr und mehr entspannte. „William Kent, einer unserer besten Gartenarchitekten, hat den Park angelegt.“
Prinz Balagrini blieb vor einem Rosenbeet stehen, brach eine Blüte und reichte sie Lady Sara mit galanter Verneigung. „Diese weiße Rose ist wie Sie“, sagte er lächelnd. „Unschuldig, schön und doch so dornig. Und bezaubernd in ihrem anmutigen Liebreiz.“
Sara nahm die Blume entgegen und dachte unwillkürlich an die drei prachtvollen Bouquets, die der Prinz ihr vor dem Besuch bei Tattersall’s geschickt hatte. Sie atmete den Duft der Rose ein und sagte in leicht strafendem Ton: „Ihre Komplimente, Sir, sind meistens sehr dick aufgetragen!“
„Warum soll ich nicht romantisch sein?“ fragte er schmunzelnd. „Ich dachte, Frauen lieben es, wenn Männer zartfühlend sind.“
„Daß Sie mich gestern in diese verfängliche Situation gebracht haben, war kein Zufall, nicht wahr?“ erwiderte Sara und schaute Prinz Balagrini streng an.
Mikahl überlegte, ob er sie beschwindeln sollte, ließ den Gedanken jedoch fallen. Lady Sara würde ihm niemals glauben, daß er im Überschwang der Gefühle gehandelt hatte. „Nein“, gestand er ruhig. „Es war kein Zufall. Ich sagte Ihnen ja, daß Weldon kein geeigneter Gatte für Sie sei. Es tut mir leid, daß Sie inkommodiert wurden.“
„Inkommodiert?“ wiederholte sie ironisch. „Welch blasses Wort dafür, daß Sie mein Leben in ein Chaos gestürzt haben. Sie hatten nicht das Recht, sich auf diese Weise einzumischen!“
„Wenn Sie ein Kind beobachten würden, das vor eine heranrasende Kutsche läuft, hätten Sie dann nicht den Mut, es vor Schaden zu bewahren?“ Kaum hatte Mikahl die Frage gestellt, wußte er, daß der Vergleich unglücklich gewählt war.
„Das Beispiel ist unzutreffend und obendrein beleidigend“, entgegnete Sara steif. „Ich hatte meine Zweifel, ob ich Sir Charles heiraten sollte. Er hat ein sehr dominierendes Wesen.
Aber wenn ich Ihres betrachte, finde ich den Gedanken, Sie zum Gemahl zu nehmen, weitaus schlimmer!“
„Tut es Ihnen wirklich leid, daß Weldon sich nicht mit Ihnen vermählen wird?“ Mikahl kannte die Antwort auf diese Frage; Lady Sara hingegen war sich ihrer Gefühle wahrscheinlich nicht so bewußt.
„Wechseln Sie nicht das Thema!“ erwiderte sie unwirsch. „Es geht nicht darum, was ich für Sir Charles empfinde, sondern ausschließlich um Ihr ungeheuerliches Benehmen. Ganz gleich, wie edelmütig Ihre Beweggründe gewesen sein mögen, Ihr Verhalten war anmaßend und selbstherrlich! Wie könnte ich mich jemandem anvertrauen, der so überheblich ist wie Sie.“ Brüsk wandte Sara sich ab und auf die kleine, geschwungene Brücke zu, die den Bach überspannte.
Im Nu war Mikahl wieder bei ihr und sagte nachdenklich: „Nun verstehe ich die Bemerkungen, die Alastair gestern abend gemacht hat. Er meinte, das freundlichste, was er über meine ethische Einstellung äußern könnte, wäre die Feststellung, daß bei mir der Zweck stets die Mittel heiligte. Sie würden meinen Standpunkt jedoch nicht verstehen, da Sie für sich den Grundsatz von Gut und Böse zur Lebensregel erhoben hätten.“
„Alastair hat sich nicht geirrt. Das Ziel, das Sie erreichen wollten, rechtfertigte keineswegs die Mittel, die Sie angewandt haben.“
„Ich war dieser Ansicht“, erwiderte Mikahl und wählte die nächsten Worte mit Bedacht: „Gut, in diesem Punkt unterscheiden wir uns, Madam. Das ist indes kein unüberwindbares Hindernis. Im allgemeinen bin ich nicht eingebildet. Ich erwarte also auch nicht, daß Sie ständig mit mir einer Meinung sein werden. Es wird Situationen geben, da Sie meine Methoden nicht billigen können, und umgekehrt werde ich nicht immer mit Ihnen konform gehen. Aber ich finde, wir könnten sehr gut miteinander leben, obwohl wir in dieser Hinsicht disharmonieren.“
Sara wußte, sie hätte schlechter fahren können, wenn sie jemanden heiratete, der ihr nicht das Recht auf eine eigene Meinung zugestand, vorausgesetzt natürlich, Prinz Balagrini meinte es ehrlich. Sie blieb
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