Liebe und Verrat - 2
von einem einzigen Verlangen angetrieben. Obwohl mich die Horde ängstigt, sowohl in ihrer Vielzahl als auch in ihrer Absicht, ist es der Mann, der sie anführt, der mein Blut gefrieren lässt.
Blond und schön ist er, gelassen in seiner Rage. Nicht Selbstbeherrschung, im nächsten Moment vergessen, prägt dieses Gesicht, und auch nicht die Maske der eingeübten Täuschung. Während die anderen hinter ihm förmlich vorwärtsdrängen in ihrer Gier, ist selbst in dem schemenhaften Wasserspiegel deutlich zu erkennen, wie selbstbewusst und zielsicher der Anführer auftritt. Er ist sich seines Erfolges gewiss. Und als ich das Zeichen der Schlange oberhalb seines offenen Hemdkragens sehe, weiß ich, in welchen Schwierigkeiten Dimitri und ich tatsächlich stecken.
Einer der Leibwache. Samael hat einen Leibwächter ausgeschickt, um zu verhindern, dass wir die fehlenden Seiten finden.
Oder um sie uns wegzunehmen, falls wir doch Erfolg haben sollten.
Ich weiß nicht, wie weit weg sie noch sind, aber ich weiß genau, dass sie rasch näher kommen. Und sie kommen wegen mir.
Ich stehe auf und fange an zu rennen.
»Dimitri! Dimitri!«, schreie ich und halte am Bachufer nach ihm Ausschau. »Dimitri! Wir müssen aufbrechen! Sofort!«
Er taucht etwas weiter unten auf, die Sorge ins Gesicht gemeißelt. »Was ist? Was ist passiert?«
»Die Seelen. Sie kommen. Und einer der Leibwache Samaels führt sie an. Ich weiß nicht, wie nah sie schon sind oder wann sie uns einholen, aber sie sind uns dicht auf den Fersen.«
Dimitri zieht meine Worte nicht in Zweifel. Während er zu seinem Pferd geht, fragt er: »Wie viele sind es?«
»Ich weiß nicht. Viele.«
Er steigt in den Sattel. »Zu Pferd?«
»Ja.«
»Steig auf und gib mir deinen Umhang.« Mit diesen Worten nimmt er seinen eigenen ab.
»Was?« Der Befehl kommt so unvermutet, dass ich nicht sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe. Trotzdem setze ich den Fuß in den Steigbügel und ziehe mich auf den Rücken von Sargent.
Dimitri reicht mir seinen schwarzen Umhang. »Unsere Umhänge haben unterschiedliche Farben, aber unsere Pferde sind beide dunkel.«
Mehr muss er nicht sagen. Ich weiß, was er vorhat, und ich werde es nicht dulden. »Nein. Wir werden uns nicht trennen, Dimitri. Es ist zu gefährlich, und ich will nicht, dass du dich den Seelen auslieferst, nur um mich zu beschützen.«
»Hör mir zu, Lia. Wir haben keine Zeit zum Diskutieren. Dies ist die einzige Hoffnung, die wir noch haben, um die Seiten an uns zu bringen. Wir werden die Umhänge tauschen und die Kapuzen über die Köpfe ziehen, damit niemand unsere Gesichter sehen kann. Ich werde dich, so weit es geht, begleiten. Wenn sich die Seelen nähern, wirst du in die Stadt reiten, während ich sie in die entgegengesetzte Richtung locken werde.
Die Leibwache ist für ihre Grausamkeit bekannt, aber sie können ihre Magie in unserer Welt nur dazu einsetzen, um ihre Gestalt zu verändern. Mit ein wenig Glück brauchen sie eine Weile, um zu merken, dass sie mir und nicht dir folgen. Außerdem hast du Lady Abigails Stein. Er wird dir zusätzlichen Schutz bieten.«
Bei seinen Worten fühle ich die Wärme des Schlangensteins an meiner Brust. »Aber … was ist mit dir? Was machst du, wenn sie dich einholen?« Der Gedanke, Dimitri zurückzulassen, lässt mir das Herz in der Brust schwer werden.
Sein Gesicht wird weich. »Keine Sorge. Ich bin stark genug, um mit den Seelen fertigzuwerden. Außerdem sind sie nicht an mir interessiert, und einen Grigori anzugreifen, wäre ein Verstoß gegen unsere Gesetze. Alles, was sie wollen, bist du.«
Ich nicke, entledige mich meines Umhangs und reiche ihn Dimitri im Tausch gegen seinen schwarzen, den ich mir umlege, während ich weiterspreche: »Was soll ich machen, wenn ich die Stadt erreiche?« Ich setze meine Kapuze auf und schaue mich um. Mir ist klar, dass wir kostbare Zeit verschwenden, aber ich habe Angst, dass ich etwas vergesse. Dass ich eine Frage nicht stelle, so lange ich noch die Gelegenheit dazu habe.
Dimitri lenkt sein Pferd zu mir, sodass wir so nah beieinander sind, wie das für zwei Reiter nur möglich ist. »Wenn du die Möglichkeit hast, dann frage jemanden nach dem Weg nach Chartres. Wenn nicht, suche eine Kirche, irgendeine, und warte dort auf mich. Keine Seele darf einen heiligen Ort betreten, in keiner Gestalt.«
Es gibt so vieles, was ich sagen möchte, aber ich komme nicht mehr dazu. Dimitri beugt sich vor und küsst mich fest auf die
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