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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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weitere Fragen war keine Zeit. Allerdings gibt es nun keinen Zweifel mehr daran, dass ich vieles über meine Eltern nicht weiß. Vielleicht wird die Reise nach Altus nicht nur in Bezug auf die fehlenden Seiten eine Offenbarung werden.
    Ich gehe die Treppe vor dem Haus nach unten und wundere mich über die einzelne Kutsche. »Edmund? Wo ist der Rest unserer Gesellschaft. Wir hatten doch Ersatzpferde und weiteren Proviant bestellt.«
    Edmund nickt langsam. »Das ist richtig. Aber es gibt keinen Grund, die Stadt mit einem Riesenbrimborium zu verlassen und somit die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Alles ist gut vorbereitet und der Rest unserer Truppe wird beizeiten zu uns stoßen.« Er zieht eine Taschenuhr aus der Hosentasche. »Wo wir gerade von Zeit sprechen«, sagt er. »Wir sollten aufbrechen.«
    Ich schaue zu Luisa, die das Aufladen der letzten Gepäckstücke beaufsichtigt, und unterdrücke ein Kichern. Sonia und ich hatten keine Probleme, uns an Edmunds Anweisung zu halten, mit so wenig Gepäck wie möglich zu reisen, aber Luisa hat offenbar eigene Vorstellungen von der Menge an Taschen und Koffern, die auf einer solchen Reise benötigt werden. Während sie Edmund dabei beobachtet, wie er eine ihrer Taschen zurechtrückt, kann ich förmlich hören, wie sie im Stillen eine Liste all der Hüte und Handschuhe abhakt, die sie eingepackt hat, obwohl sie nichts davon auf unserer Reise tragen wird.
    Ich verdrehe die Augen und sehe, wie Sonia sich leise mit Tante Virginia am Fuß der Treppe unterhält, die zum Haus hinaufführt. Luisa gesellt sich zu mir und gemeinsam gehen wir auf die beiden zu. Wir stehen nah beieinander, und jede von uns überlegt, wie sie wohl die richtigen Abschiedsworte finden soll, wo wir doch gerade wieder zusammengekommen sind.
    Wie immer gibt sich Tante Virginia alle Mühe, es uns allen leicht zu machen.
    »Also schön, Mädchen. Zeit zur Abfahrt.« Sie beugt sich vor und küsst Luisa auf die Wangen, richtet sich dann wieder auf und schaut ihr in die Augen. »Ich habe deine Gesellschaft auf der Fahrt von New York sehr genossen, meine Liebe. Ich werde deinen Frohsinn vermissen. Vergiss nur nicht, dein Temperament zu zügeln, wenn die Sicherheit oder die Schicklichkeit es erfordern, ja?«
    Luisa nickt und erwidert eine neuerliche Umarmung, ehe sie sich umdreht und zur Kutsche geht.
    Sonia kommt Tante Virginia zuvor. Sie tritt auf meine Tante zu und greift nach ihren Händen. »Ich bedaure es sehr, dass wir schon abreisen müssen. Wir haben uns noch nicht einmal richtig kennengelernt!«
    Tante Virginia seufzt. »Daran kann man nichts ändern. Die Prophezeiung wartet auf nichts und niemanden.« Sie wirft einen Blick auf Edmund, der wiederum auf seine Taschenuhr schaut. »Und Edmund auch nicht, will mir scheinen.«
    Sonia kichert. »Da haben Sie wohl recht. Auf Wiedersehen, Miss Virginia.«
    Die langen Jahre in einem Haus, das nicht ihr Heim war, mit einer Hüterin wie Mrs Millburn, haben dafür gesorgt, dass Sonia eine tiefe Scheu vor Zuneigungsbekundungen hat. Sie umarmt meine Tante nicht, aber sie schaut ihr lächelnd in die Augen. Dann wendet sie sich zum Gehen.
    Nun sind Tante Virginia und ich allein. Mir kommt es so vor, als würden sich alle Menschen, die ich gekannt habe, von mir verabschieden, und die Aussicht, auch noch meiner Tante Lebewohl zu sagen, lässt mir einen Kloß in der Kehle emporsteigen. Ich schlucke, damit ich sprechen kann.
    »Ich wünschte, du würdest mit uns kommen, Tante Virginia. In deiner Gegenwart fühle ich mich gelassen und selbstsicher.« Erst als ich es ausspreche, erkenne ich, dass es die Wahrheit ist.
    Ihr Lächeln ist leise und traurig. »Meine Zeit ist vorbei, aber deine fängt gerade erst an. Du bist stärker geworden, seit du New York verlassen hast – eine eigenständige Schwester. Es ist Zeit, dass du deinen angestammten Platz einnimmst, meine Liebe. Ich werde hierbleiben und warten, dass die Geschichte ihren Lauf nimmt.«
    Ich schlinge meine Arme um sie und kann kaum fassen, wie klein und zerbrechlich sie wirkt. Einen Augenblick lang versagt mir die Stimme, so aufwühlend und übermächtig sind meine Gefühle.
    Ich schiebe sie ein Stück von mir weg und versuche, mich zu sammeln. Ich schaue ihr in die Augen. »Danke, Tante Virginia.«
    Sie drückt noch einmal kurz meine Schultern, bevor ich mich abwende. »Sei stark, mein Kind. Ich weiß, du kannst es.«
    Ich steige in die Kutsche, während Edmund auf den Kutschbock klettert. Nachdem ich mich neben

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